Weltpolitik

Finnland steht vor schicksalhaftem NATO-Beschluss

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Was bis vor wenigen Monaten vielfach als undenkbar galt, scheint nun vor der Tür zu stehen: Finnland bewegt sich mit Riesenschritten auf einen Beitrittsantrag zur NATO zu.

 Und zieht damit das Nachbarland Schweden, bisher ebenso bündnisfrei wie Finnland, möglicherweise mit. Während in Finnland vorerst noch unklar ist, wie sich die einzelnen Parteien im Fall einer Abstimmung verhalten werden, ist in Schweden eine Parlamentsmehrheit für einen NATO-Beitritt schon gegeben.

Die in beiden Ländern bis zur Zuspitzung der Ukraine-Krise praktisch tote NATO-Diskussion erhielt durch den Überfall Russlands auf die Ukraine in Finnland und auch in Schweden massiven Rückenwind. In beiden Ländern hatten sich schon bisher die meisten Parteien rechts der Mitte für einen Beitritt ihres Landes zu dem westlichen Militärbündnis ausgesprochen, während die jeweils regierenden Sozialdemokraten einem solchen Schritt wenig abgewinnen konnten.

Die Dynamik in der NATO-Frage spitzte sich zu, als finnische Medien vergangene Woche monierten, dass die Staatsspitze, bestehend aus Präsident Sauli Niinistö und Ministerpräsidentin Sanna Marin, hinter verschlossenen Türen bereits beschlossen habe, den NATO-Beitritt Finnlands rasch voranzutreiben. Ein entscheidender Schritt ist die Veröffentlichung des aktualisierten Sicherheitsberichts der finnischen Regierung, der am Donnerstag (14.4.) fällig ist. Darin enthalten sein sollen sowohl Vor- als auch Nachteile eines NATO-Beitritts Finnlands, allerdings noch ohne eine eindeutige Präferenz.

Der Bericht wird anschließend dem Parlament zur Behandlung weitergereicht, wo in unterschiedlichen Ausschüssen darüber beraten wird. Sollte sich dabei eine klare Mehrheit für die NATO abzeichnen, wird erwartet, dass die Regierung und Staatspräsident Niinistö innerhalb kürzester Zeit das Beitrittsansuchen beschließen. Die Schätzungen, wann das sein könnte, reichen von Anfang Mai bis Ende Juni.

Entscheidend wird sein, wie sich die beiden großen Regierungsparteien, die Sozialdemokraten und die Zentrumspartei, verhalten werden. Beide waren bisher gegen eine NATO-Mitgliedschaft Finnlands, in beiden Parteien schwenkte die Meinung zuletzt in Richtung Befürwortung. Dies geschah parallel zu der rasanten Änderung der Stimmungslage in der Bevölkerung. War die Zustimmung der Finnen für einen NATO-Beitritt zu Jahresbeginn noch weit unter der Hälfte, so betrug diese zuletzt über 60 Prozent.

Die Nachricht über den möglicherweise unmittelbar bevorstehenden NATO-Beitrittsantrag Finnlands brachte jenseits der Ostsee eine Lawine ins Rollen. Nachdem der Parteichef der Schwedendemokraten, Jimmie Åkesson, am Wochenende in einem Zeitungsinterview gesagt hatte, falls Finnland der NATO beitrete, wäre auch er für so einen Schritt in Schweden, beschloss der Parteivorstand am Montag, die offizielle Linie der rechtspopulistischen Partei, die bisher NATO-skeptisch war, zu ändern.

Dies wiederum bedeutet, dass damit die NATO-Befürworter - allen voran die konservativen Moderaterna und die drei anderen "bürgerlichen " Parteien und nun eben die Schwedendemokraten - theoretisch über eine Parlamentsmehrheit verfügen. Damit gerät auch die sozialdemokratische Regierungschefin Magdalena Andersson unter Druck. Sie sagte bereits früher, dass sie eine NATO-Mitgliedschaft Schwedens nicht prinzipiell ausschließe. Innerhalb ihrer Partei sind nach wie vor viele skeptisch. Vor wenigen Tagen starteten die Sozialdemokraten aber einen "sicherheitspolitischen Dialog", in dem unter anderem, aber nicht nur, die Möglichkeit eines NATO-Beitritts Schwedens innerhalb der Partei bis zum Sommer diskutiert werden soll.

Andersson könnte jedoch trotzdem schon früher eine Entscheidung auf Regierungsebene treffen. Am morgigen Mittwoch empfängt sie ihre finnische Amtskollegin Marin in Stockholm. Laut finnischer Regierungskanzlei geht es bei dem Treffen um "die herrschende sicherheitspolitische Debatte in Finnland und Schweden". Die schwedische Boulevardzeitung "Expressen" berichtete von einem geheimen Treffen zwischen dem schwedischen Finanzminister Mikael Damberg, dem finnischen Staatspräsidenten Niinistö sowie verschiedenen Wirtschaftsvertretern beider Länder, das vergangene Woche in Helsinki stattgefunden haben soll. Dabei soll es um mögliche wirtschaftliche Konsequenzen gegangen sein, falls Schweden bei einem NATO-Beitritt nicht mitzieht.

Die NATO selbst, unter anderem ihr Generalsekretär Jens Stoltenberg, hat klar gemacht, dass sowohl Schweden als auch Finnland jederzeit in dem Bündnis willkommen sind. Ein Beitritt beider Länder könnte jeweils vermutlich zügig, möglicherweise innerhalb weniger Monate, vollzogen werden.

Welche Konsequenzen ein NATO Beitritt Finnlands und möglicherweise auch Schwedens für das Sicherheitsgefüge im Norden Europas haben würde, lässt sich schwer abschätzen. Russland hat jedenfalls beiden Ländern bereits mehrfach mit nicht näher spezifizierten Konsequenzen gedroht, sollten sie sich der NATO anschließen. Für Finnland ist es besonders heikel. Hat doch das Land eine 1.343 Kilometer lange gemeinsame Grenze mit Russland. Zwischen 1940 und 1944 führte man zwei Kriege gegen die Sowjetunion und war von 1948 bis 1992 als neutrales Land durch einen "Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand" an die Sowjetunion angelehnt.

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