Sollte neues Gesetz den ORF „substanziell schwächen“, will Wrabetz Volksabstimmung.
Die ÖSTERREICH-Serie zum Politstreit über die ORF-Gebühr sorgt für viel Wirbel. Die FPÖ will das Zwangsentgelt abschaffen – nach dänischem Modell: Finanzierung aus dem Budget sowie Einsparungen über eine neue Struktur. Jetzt nimmt ORF-General Alexander Wrabetz Stellung.
ÖSTERREICH: Die Diskussion über eine mögliche Abschaffung der ORF-Gebühr lässt die Wogen hochgehen. Was sagen Sie?
Alexander Wrabetz: Aufgabe des kommenden neuen ORF-Gesetzes wird sein, positive Rahmenbedingungen für die Entwicklung des ORF zu schaffen. Eine Schwächung des ORF nutzt niemandem in Österreich, sondern nur internationalen Medienanbietern wie Netflix. 88 % der Österreicher nutzen täglich die Angebote des ORF, eine Finanzierung über Rundfunkbeiträge ist da durchaus zeitgemäß – und gut für die Demokratie.
ÖSTERREICH: Sie fürchten um die Unabhängigkeit?
Wrabetz: Ja. Bei einer Finanzierung des ORF aus dem Staatsbudget wäre eine unmittelbare Einflussnahme der Regierung gegeben.
ÖSTERREICH: Die Höhe der ORF-Gebühren macht stutzig: Die Wiener zahlen mit 316 Euro im Jahr so viel wie niemand sonst in der EU.
Wrabetz: Hier muss man einige Dinge auseinanderhalten. Der ORF bekommt 17,21 Euro im Monat, das sind rund 200 Euro im Jahr und liegt im europäischen Mittelfeld. Der Rest sind Zuschläge von Bund und Ländern. Es ist nicht meine Aufgabe, das Steuersystem infrage zu stellen.
ÖSTERREICH: Die Schweizer haben die Bevölkerung abstimmen lassen, was eine Mehrheit für die Beibehaltung der Rundfunkgebühr ergeben hat. Können Sie sich das für Österreich vorstellen?
Wrabetz: Wir wissen aus fundierter Marktforschung, dass sich über 80 % der Österreicher weiterhin einen starken ORF wünschen. Sollte die Regierung – was hoffentlich nicht der Fall sein wird – mit einem neuen Gesetz den ORF so schwächen, dass er substanziell nicht aufrechtzuerhalten wäre, bin ich dafür, das Volk zu befragen. Vor dieser Abstimmung hätte ich keine Scheu.
ÖSTERREICH: Die Dänen haben durch Integration von Spartenkanälen in die Hauptprogramme Geld eingespart. Denkbar auch für den ORF?
Wrabetz: Wir sind mit unserem Kulturkanal ORF III sehr erfolgreich. Sport+ ist ein Nischensender für Sportarten, die sonst keine Plattform hätten. Warum sollten wir dem Publikum das wegnehmen? Die Einstellung dieser sehr kostengünstigen Spartensender würde auch finanziell kaum etwas bringen. Die Dänen haben nicht durch Schließen der Spartenkanäle am meisten gespart, sondern weil sie Hunderte Journalisten aus den Hauptprogrammen entlassen haben.
ÖSTERREICH: Zum Radio: Wir zahlen Gebühr für den Popsender Ö3, der sich kaum von Privaten unterscheidet. Ist das fair?
Wrabetz: Ö3 unterscheidet sich z. B. im Informationsangebot, und es finanziert ja viele Programme des werbefreien Ö1 mit. Ein Privater könnte auch kein Radiosymphonieorchester oder einen überwiegend fremdsprachigen Jugendsender wie FM4 bestreiten – das ist nur machbar mit Gebührenfinanzierung. (Angela Sellner)