Als Mitte Jänner der bisher letzte Snowboard-Weltcup gefahren wurde, ging Benjamin Karl davon aus, mit Boards von seinem damaligen Ausrüster auch bei Olympia anzutreten.
Vor rund zwei Wochen kontaktierte er dann Kessler Snowboards, dass er es gerne mit einem Brett einer anderen Marke bei den Spielen versuchen will und bekam von Chef Hansjürg Kessler das Einverständnis zum Wechsel. Karl hatte sich sozusagen den Virus eingefangen, bekam ihn nicht mehr los und holte Gold.
"Virus" deutsche Boarder-Firma
Es geht freilich nicht um den Coronavirus, mit dem der 36-Jährige im Quarantäne-Hotel statt auf der Piste gewesen wäre. Virus ist der Name der deutschen Firma, für die sich Karl zwei Wochen vor dem Olympia-Riesentorlauf entschieden hatte. "Eigentlich ist meine Mama schuld", erklärte Karl auf Nachfrage der APA - Austria Presse Agentur. Nachdem der Deutsche Stefan Baumeister auf Virus den Weltcup-PGS auf der Simonhöhe gewonnen hatte, seien die Dinge ins Rollen gekommen.
Karls Mutter habe einen Social-Media-Eintrag vom Virus-Chef damit gekontert, dass auch Kessler-Boards schnell seien. Daraufhin erhielt Karl eine Mail von der deutschen Konkurrenz. "Ich habe zum Chef von Virus gesagt: 'Okay, schicke die Bretter, ich schaue mir das an. Wenn sie versprechen, was du sagst, fahre ich sie bei Olympia.' Mit Kessler vereinbarte Karl den möglichen Wechsel. "Ich habe eine enge Beziehung zu ihm, das war absolut keine persönliche Entscheidung."
"Ich liebe so Heldengeschichten"
Aber es habe bisher nun eben erst fünf Tage in seinem Leben gegeben, in denen er Olympia-Rennen gefahren sei. "So oft kommt die Chance nicht mehr. Dementsprechend riskiert man da alles. Und ich liebe diese Story dahinter. Es gibt mir eigentlich einen zusätzlichen Kick und einen Energieschub und einen Motivationsschub. Ich liebe so Heldengeschichten. So wie es da jetzt ist. Vor vier oder drei Tagen Bretter gewechselt und dann schafft man es wirklich, damit zu gewinnen."
Neue Pläne hat Karl nun noch keine, aber er liebäugelt durchaus mit seinem fünften Antreten bei Winterspielen. Der Austagungsort 2026 mit Mailand/Cortina d'Ampezzo gibt diesem Gedanken einen zusätzlichen Reiz. "Es wären meine ersten Olympischen Spiele, die so in einem normalen Umfeld passieren werden - in einem Skigebiet, in einer Tourismusregion, sozusagen vor der Haustüre." Seine gesamte Familie hätte er dann gerne dabei.
Bisher war das wegen der Entfernungen in Vancouver 2010, Sotschi 2014 und Pyeongchang 2018 nicht so einfach, in 2022 machte das auch die Pandemie unmöglich. Und ein Auffetten des Olympia-Programms der Parallel-Snowboarder wäre ein weiterer Aspekt. Ein Mixed-Teamevent ist im Weltcup etabliert und entspricht eigentlich auch der Denkrichtung des IOC. Karl: "Das ist ein wunderschöner Gedanke, mit Dani (Ulbing, Anm.) bei Olympia einen Mixed-Bewerb zu fahren."
Noch mehr wünsche sich der gebürtige Niederösterreicher, dass es der Parallel-Slalom wieder auf die olympische Bühne schafft. 2014 war dieser Bewerb letztmals dabei, Julia Dujmovits holte Gold. "Der hat es genauso verdient, olympisch zu sein", meinte Karl. "Wir fahren zwei Disziplinen im Weltcup, die sich ebenbürtig sind, die sollten auch olympisch sein." Im Slalom hatte Ulbing bis zu dieser Saison die größeren Erfolge, nun steht sie mit Olympia-Silber im Riesentorlauf da.
Karl schätzt die 23-Jährige nicht nur als Partnerin in Mixed-Bewerben. "Die Dani hat es schon oft bewiesen, dass sie eine coole Sau ist, sie ist eine Rennsau. Und sie kann gut performen, wenn es um die Wurscht geht." Vor ein paar Tagen sei ihr der Schuh gebrochen, kein Ersatzteil sei da gewesen und da habe es schon Tränen bei der Kärntnerin gegeben. Letztlich wurde Ersatz gefunden. "Silber für sie ist super-verdient, sie ist eine Wettkämpferin."