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Unsere Tiere

Das Ende der Palmöl-Ära?

„Ich kann nur ernten, was ich noch erreiche“, sagt der 85-jährige Suratmen Mosman, während er mit einer langen Stange in den Kronen seiner überalterten Ölpalmen nach Früchten sucht.  

Seine Plantage liegt 300 Kilometer südlich von Kuala Lumpur. Viele seiner Bäume sind über 30 Jahre alt – zu hoch, zu schwach, zu unergiebig. Doch neue Bäume zu pflanzen würde bedeuten: jahrelang keine Einnahmen. Für Suratmen ist das keine Option. „Weil es keine andere Einkommensquelle gibt, bin ich völlig auf die Palmölernte angewiesen“, sagt er. „Ich habe die Bäume einfach wachsen lassen und ernte nur noch die, die ich erreichen kann – etwa bis acht Meter hoch.“

Damit ist er nicht allein. In Malaysia, einem der größten Palmölproduzenten der Welt, befinden sich mittlerweile Hunderttausende Hektar Ölpalmen in einem kritischen Zustand. Viele Bäume sind weit über ihr produktives Alter hinaus, manche gelten als „tot“, ihre Früchte hängen unerreichbar hoch. „Etwa 30 Prozent meiner Bäume bringen keinen Ertrag mehr“, sagt der 64-jährige Mohidin bin Amat Mustaram. „Und viele Früchte hängen inzwischen so hoch, dass ich sie gar nicht mehr ernten kann.“

Doch die meisten Kleinbauern zögern mit der notwendigen Neupflanzung – aus Angst vor Ernteausfällen, fehlenden Rücklagen und fehlender Unterstützung durch den Staat. Die Wiederbepflanzungsrate liegt in Malaysia bei nur rund zwei Prozent – halb so hoch wie von der Regierung angestrebt.

Dabei steht viel auf dem Spiel. Palmöl ist das weltweit am häufigsten verwendete Pflanzenöl. Es steckt in nahezu jedem zweiten Supermarktprodukt: in Margarine, Fertiggerichten, Cremes, Waschmitteln, Kerzen und selbst in Tierfutter. Die globale Wirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten abhängig gemacht von einer Pflanze, deren Anbaufläche heute an ihre ökologischen, ökonomischen und sozialen Grenzen stößt.

Denn mit dem Erfolg kam die Zerstörung. Für Palmöl wurden Millionen Hektar Regenwald gerodet, Moore trockengelegt, Artenvielfalt vernichtet. Die Heimat von Orang-Utans, Tigern, Nashörnern und Elefanten wurde für immer zerstört. Was bleibt, sind Monokulturen, ausgelaugte Böden und ein Kreislauf der Ausbeutung – von Natur, Tier und Mensch.

Heute zeigt sich: Die Plantagen geben das nicht mehr her. Die Bäume altern, die Erträge sinken, die Produktionskosten steigen. Ein harter Schnitt, das heißt eine komplette Rodung und Neupflanzung, würde drei bis fünf Jahre ohne nennenswerte Erträge bedeuten – für viele Kleinbauern ein wirtschaftlicher Totalschaden. Unter diesen Umständen bleibt nur ein fragwürdiger Ausweg: Unterpflanzung. Dabei werden junge Palmen zwischen die alten gesetzt. Erst wenn die neuen Pflanzen tragfähig sind, werden die alten gefällt. „Wir pflanzen einfach neue Palmen zwischen die alten“, erklärt der 57-jährige Mohd Sahman Duriat. „Wenn die jungen Früchte tragen, fällen wir die alten. So müssen wir nicht drei oder vier Jahre warten, bis wir wieder ernten können.“

Doch auch diese Methode ist nicht ideal, denn die alten Bäume nehmen Licht, Nährstoffe und Platz.

Hinzu kommen strukturelle Probleme: steigende Kosten für Dünger, Pestizide und Arbeitskräfte, veraltete Maschinen, und eine zunehmend überalterte Generation von Landwirten. „Alles ist teuer geworden“, sagt Mohd Radi Mohd Nor, 75. „Selbst die Erntehelfer kosten heute 100 Ringgit pro Tonne.“ Viele junge Menschen wollen den Hof ihrer Eltern nicht übernehmen. Die Landwirtschaft verliert an Nachwuchs – und damit auch an Zukunft.

Gleichzeitig steigt die weltweite Nachfrage nach Palmöl weiter an. Prognosen zufolge könnte der Bedarf bis 2050 um bis zu 50 Millionen Tonnen steigen. Doch die Erntemengen aus Malaysia und Indonesien – den beiden Hauptproduzenten – werden schon in den kommenden Jahren um bis zu 20 Prozent zurückgehen. Der Markt steuert auf eine Versorgungslücke zu. Eine Lücke, die nicht einfach durch neue Plantagen geschlossen werden kann – denn neue Flächen gibt es kaum noch, ohne erneut Regenwälder zu opfern.
Auch aus Sicht der Industrie mehren sich die Warnungen. „Wir haben heute über 630.000 Hektar mit Palmen, die älter als 25 Jahre sind – sie sind längst über ihren Ertragsgipfel hinaus“, sagt der Palmöl-Experte M.R. Chandran. „Wenn die Erträge nicht jedes Jahr um mindestens zwei Prozent steigen, ist das wirtschaftlich nicht mehr tragbar.“ Und er stellt die entscheidende Frage: „Wer soll denn noch ernten gehen? Wenn ich einem Arbeiter sage, er soll auf ein Feld mit 40 Meter hohen Bäumen – was wird er sagen? 'Warum soll ich mir den Rücken und den Hals brechen – für ein paar Ringgit?'“

Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 10.08.2025, hier in voller Länge sehen. Nächste Ausgabe Unsere Tiere: 17.08.2025, 18:30 Uhr  

Vielleicht ist das der Wendepunkt. Vielleicht ist dies das Ende der Palmöl-Ära – und die Chance für einen Neuanfang. Denn Alternativen gibt es längst: Sonnenblumenöl, Rapsöl, Kokos- oder Shea-Fett könnten zumindest einen Teil des Bedarfs decken. Vorausgesetzt, sie werden nachhaltig und ohne neue Monokulturen angebaut. Noch wichtiger aber ist die Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher: Weniger Fertigprodukte, mehr Regionalität, bewusster Konsum – das alles kann helfen, die Abhängigkeit vom Palmöl zu verringern.
Palmöl steckt fast überall – doch es muss nicht so bleiben. Jeder Einkauf ist eine Entscheidung. Für oder gegen den Raubbau. Für oder gegen Artensterben. Für oder gegen eine Landwirtschaft, die nicht länger auf dem Rücken der Kleinbauern, der Tiere und der Umwelt ausgetragen wird.

Die Ölpalmen haben ausgedient. Es ist Zeit, umzudenken. Und loszulassen.

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