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Unsere Tiere

Gericht hebt Abschussbescheid von Wolfseltern auf

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Es war eine hoch umstrittene Entscheidung, die das Land Tirol über seine Kommission getroffen hatte. Demnach sollten gleich zwei Wölfe, ein Paar, abgeschossen werden, weil es im Verdacht steht Schafe gerissen zu haben.  

Für Wirbel hatte zusätzlich gesorgt, dass die beiden Wölfe offenbar kleine Jungen zu versorgen haben, die im Fall ihrer Tötung selbst zum Hungertod verdammt wären. Der Aufschrei im Land war groß, der WWF hatte sogar Einspruch gegen den Abschussbescheid eingelegt.

Und konnte damit nun einen Etappensieg erringen, denn der Verwaltungsgerichtshof hat am Dienstag den Abschussbescheid aufgehoben und damit die Jagd auf die Wölfe verboten. Das Land Tirol, namentlich der Landesrat Josef Geisler, haben nun angekündigt das Landesjagdgesetz so adaptieren zu wollen, dass ein Abschuss möglich wird. An der EU-Konformität einer abweichenden Regelung darf gezweifelt werden, immerhin steht der Wolf in der gesamten Europäischen Union unter strengem Schutz.

Manche Bäuerinnen und Bauern wünschen sich ein „wolffreies Österreich“, dem stehen viele tierfreundliche Menschen im ganzen Land gegenüber, die dem Wildtier nach seiner Ausrottung nun wieder einen Lebensraum in Österreich einräumen wollen.Ihr Argument: Der Mensch hat den Tieren schon genug Raum zum Leben genommen, wir müssten uns jetzt mit dem Wolf arrangieren. Anders sehen das die Landwirte, die eine steigende Zahl von Schafsrissen ins Treffen führen und die Almbewirtschaftung grundsätzlich in Gefahr sehen.

Schafhaltung ohne Behirtung

Schafe werden erst seit Ende des Zweiten Weltkriegs in kleinen Gruppen ins Hochgebirge geschickt, um für sich selbst zu sorgen. Ohne jegliche Behirtung. Dieses eigentlich völlig rechtswidrige Verhalten (das Tierschutzgesetz verpflichtet Tierhalter:innen für ihre Tiere zu sorgen und verbietet ihnen, sie einfach ohne sich weiter zu kümmern in die Wildnis zu setzen) ergab sich aus dem Umstand, dass das Schaf für die Schafhalter:innen an Wert verloren hatte. So nahm man eine Todesrate durch Wetterunbill und Krankheiten von gut 5 % in Kauf. In Tirol beantragt jetzt sogar ein Schafbauer zwei seiner Schafe durch Jäger:innen abschießen lassen zu dürfen, weil sie ihm entkommen sind, wie der VGT berichtet.

"SOKO Wolf"

Einen neuen Vorstoß liefert nun die NGO „European Wilderness Society“, die einem Medienbericht zufolge die Einrichtung einer „SOKO Wolf“ fordert. Diese, aus Polizeikräften oder Zivilpersonen bestehende Truppe soll sicherstellen, dass die Wölfe nicht zu Opfern willkürlicher Abschüsse werden. Außerdem solle diese neue Einheit auch hinterfragen, ob bei Schafsrissen die Tierhalter ihrer Pflicht nachgekommen wären, die Tiere zu schützen. Andernfalls solle es Strafen setzen, so die NGO.

Ob dieser Vorschlag realitätsnah oder sinnvoll sei, das wurde bislang von Seiten der angesprochenen Landesbehörden nicht kommentiert. Die Reaktionen im Netz zeigen aber, dass er auf viel Unverständnis stößt und die Fronten weiter verhärtet.

Es ist nicht unüblich, dass es zur Zeit der Jungenaufzucht zu vermehrten Nutztierrissen kommt, wenn es in einem Wolfsgebiet ungeschützte Weidetiere gibt. Die Elterntiere müssen sehr viel Nahrung heranschaffen und nehmen dafür unter Umständen auch leicht verfügbare Beute. Zwar waren manche der Schafe auf der Lavanter Alm in einem fachlich korrekt aufgestellten Nachtpferch untergebracht, vermutlich aber haben die Schafe selbst diesen in Panik niedergerissen. „Üblicherweise würden bei hoher Wolfspräsenz in einem nächsten Schritt zusätzlich Herdenschutzhunde zum Einsatz kommen. Nur sind diese noch nicht im ausreichenden Maß verfügbar“, stellt Lucas Ende, Artenschutzkoordinator beim Naturschutzbund Österreich fest.

Wölfe in Österreich bereits seit 2009 regelmäßig nachweisbar

Angesichts der Wiederbesiedlung des Alpenraums durch Wölfe in den letzten 20 Jahren darf es niemanden überraschen, dass die Zahl an Wölfen, die Österreich erreichen, fortdauernd steigt. Dennoch wurden viele Jahre verschlafen, bevor zaghafte Bemühungen in Richtung Herdenschutz unternommen wurden. So gibt es in Österreich etwa noch keine Regelungen für den Einsatz von Herdenschutzhunden geschweige denn eine ausreichende Anzahl verfügbarer Hunde.

Herdenschutz

Bevor ein Wolfsabschuss zulässig ist, schreibt europäisches Recht den Einsatz gelinderer Mittel wie Herdenschutzmaßnahmen vor. Der ursprüngliche Abschussbescheid blieb jedoch den Nachweis schuldig, warum Herdenschutz keine Alternative sei und behauptete nur, dass dies wirtschaftlich unmöglich sei. „Die Europäische Union hat den Weg für eine 100-prozentige Förderung von Schutzmaßnahmen längst freigemacht.“ So Lucas Ende vom WWF und ergänzt weiter: „Wölfe können nicht zwischen erlaubter Beute wie Wildtieren und verbotener Beute wie Nutztieren unterscheiden, solange sie nicht durch Zäune oder Hunde abgeschreckt werden. Keines der gerissenen Tiere ist entsprechend der Mindestanforderungen geschützt. Ein Abschuss wäre somit nicht gerechtfertigt gewesen und würde auch künftig keine Sicherheit für Weidetiere bringen.“

Naturschutzbund und WWF fordern das Vorantreiben von Herdenschutzmaßnahmen: „Damit wäre der Almwirtschaft am meisten geholfen. Der Einsatz von Elektrozäunen, Herdenschutzhunden sowie Hirtinnen und Hirten muss viel stärker unterstützt werden, will man die betroffene Landwirtschaft nicht weiter im Regen stehen lassen“, appellieren Lucas Ende und Christian Pichler.

Die Rolle des Wolfs im Ökosystem

Wölfe bereichern nicht nur die Artenvielfalt, sondern haben auch einen großen Mehrwert für Ökosysteme. Als „Gesundheitspolizei des Waldes“ halten sie den Wildbestand in guter Kondition. Denn Wölfe erbeuten vor allem kranke oder schwache Tiere und können damit die Ausbreitung von Krankheiten eindämmen oder sogar verhindern. Außerdem hinterlassen sie wichtige Nahrungsreste für andere Schlüsselarten wie Adler. Fehlen diese Interaktionen, wirkt sich das negativ auf die Zusammenhänge in der Natur und damit auch auf den Menschen aus.

VGT-Obmann DDr. Martin Balluch ist gerade von einer mehrwöchigen Wanderung mit dem Zelt und seiner Familie in den rumänischen Südkarpaten zurück, wo immer schon alle Reviere durch Wolfsrudel besetzt waren und trotzdem überall Schafe und Rinder auf Almen weiden. Er schrieb in einer aktuellen Presseaussendung:“ Angesichts dieser primitiven Wolfshetze frage ich mich, warum es in Rumänien möglich ist, dass große und kleine Schafherden mitten im Wolfsgebiet auf der Alm weiden, während das in Österreich angeblich nicht geht. Alle Herden in den Südkarpaten, die ich angetroffen habe, waren behirtet, und die meisten waren auch von Herdenschutzhunden begleitet, die mich im Übrigen manchmal verbellt, aber nie bedroht haben. Warum lauft es in Österreich falsch? Die Antwort, in Rumänien wären die Berge weniger dicht besiedelt, gilt nicht. Die Besiedlungsdichte durch Menschen ist gleich und es gibt überall Almen. Aber selbst wenn es weniger Schafe in den Bergen gäbe, so bliebe die Frage offen, warum diese Schafherden im Wesentlichen ohne Risse durchkommen, aber in Österreich ist man zum Schutz der Tiere schlicht und einfach nicht in der Lage.“

Rückkehr des Wolfes

Der Naturschutzbund steht für ein konfliktarmes Zusammenleben mit dem Wolf ein, dessen Rückkehr bereits in vollem Gange ist. Angesichts der erfolgreichen Wiederbesiedlung des Alpenraumes und der mitteleuropäischen Tiefebene (Polen und Deutschland), ist ein „wolfsfreies Österreich“ keine realistische Perspektive für die heimische Almwirtschaft. „Bedenkt man die Laufleistung dieser Tierart, kommt man um einen effizienten und verantwortungsbewussten Schutz der Weidetiere nicht herum“, ist Ende überzeugt. „Dafür muss die verantwortliche Politik aber die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Tut sie das nicht, ist sie verantwortlich für Almauflassungen, nicht der Wolf.“

Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 28. August 2022, hier in voller Länge sehen.

Nächste Ausgabe Unsere Tiere: 04. September 2022, 18:30 Uhr.
  

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