20250613_66_955752_250615_Spalten.jpg

Unsere Tiere

Tierwohl light – das neue Spaltenverbot

Ob Masthuhn, Pute, Milchkuh oder Pferd – für jede „Nutztier-Art“ schreibt das österreichische Tierschutzrecht eine weiche Einstreu vor.  

Legehennen müssen mindestens ein Drittel ihrer Stallfläche als eingestreuten Scharrraum bekommen, Mastgeflügel sogar rund um die Uhr Zugang zu trockener Einstreu haben. Milchkühe, Schafe, Ziegen und Pferde dürfen grundsätzlich gar nicht auf hartem Vollspaltenboden gehalten werden; wenn der Untergrund nicht weich oder wärmegedämmt genug ist, heißt es im Gesetz wörtlich, müsse „mit Stroh eingestreut sein“.

Nur zwei Tiergruppen fallen aus dem Raster: Mastrinder und – am gravierendsten – Schweine. Für sie erlaubt § 18 (2a) des Tierschutzgesetzes weiterhin Haltung auf einstreulosen Vollspaltenböden. Zwar verbietet die Bestimmung seit 2023 den Neubau unstrukturierter Vollspaltenbuchten, doch für Zehntausende bestehende Ställe galt zunächst eine Übergangsfrist bis 2040.

Was wie ein Durchbruch für das Jahr 2040 klingt, ist bei näherem Hinsehen kaum mehr als ein kosmetischer Umbau: Am 13. Mai 2025 verkündete der Nationalrat selbstbewusst das Ende für unstrukturierte Vollspaltenböden: Ab 1. Juni 2034 dürfen bestehende Ställe nicht mehr ausschließlich aus harten Betonspalten bestehen; Neubauten sind längst untersagt. Doch der viel gefeierte Beschluss entpuppt sich als Minimalkompromiss, weil er strukturierte oder Teilspaltenbuchten ausdrücklich zulässt – Buchten, in denen meist nur eine kleine Liegefläche geschlossen ist, während 50 bis 70 Prozent weiter aus Spalten bestehen und keinerlei Einstreu erfordern.
Damit stehen Schweine in Österreich weiterhin auf Betongittern, durch die Kot und Harn in die Güllegrube tropfen. Stroh bleibt eine Option, keine Pflicht: Ab 2029 reicht „organisches Beschäftigungsmaterial“ wie Hanfseile oder Holzstücke; die Liegefläche darf kahl bleiben. Tierschutzorganisationen beklagen, dass der Gesetzgeber damit ein System zementiert, das in Studien kaum gesundheitliche Vorteile gegenüber den alten Vollspalten zeigt, solange Schweine nicht weich gebettet und mit Stroh zum Wühlen beschäftigt werden.

Der Blick über den Zaun macht den Widerspruch noch deutlicher: Legehennen müssen laut Tierhaltungsverordnung mindestens ein Drittel ihres Bodens weich eingestreut bekommen, Mastgeflügel hat jederzeit Zugang zu trockener Einstreu, und Rinder dürfen grundsätzlich nicht dauerhaft auf Vollspalten stehen – auch hier schreibt das Gesetz weiche, wärmegedämmte Unterlagen vor. Nur Schweine (und Mastrinder) bilden die Ausnahme, obwohl gerade sie auf hartem Spaltenboden besonders häufig Schleimbeutelentzündungen, Klauenspalten und Atemwegsreizungen entwickeln.

Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 15.05.2025, hier in voller Länge sehen. Nächste Ausgabe Unsere Tiere: 22.06.2025, 18:30 Uhr    

Tierärztliche Gutachten und etho¬logische Forschung kommen seit Jahren zum gleichen Schluss: Stroh reduziert Verletzungen, senkt Stresshormone, beugt Schwanzbeißen vor und verbessert das Stallklima, weil es Ammoniak bindet. Betriebswirtschaftliche Modelle zeigen zudem, dass die Mehrkosten für Einstreu zum Teil durch geringeren Medikamenteneinsatz, höhere Fleischqualität und wachsende Nachfrage nach Tierwohl¬produkten kompensiert werden können. Viele EU-Länder gehen längst voran: Deutschland lässt reine Vollspaltenböden in Neubauten nicht mehr zu, und Dänemark führt spätestens 2030 eine Strohpflicht ein. Österreich riskiert damit, beim Schweinewohl Schlusslicht zu bleiben.

Noch bleibt Zeit, den eingeschlagenen Weg zu korrigieren: 2027 sollen neue Mindeststandards verhandelt werden, und der Handel setzt mit tierwohl¬zertifizierten Programmen zusätzlichen Druck. Ob Politik und Branche diese Chance nutzen, wird zum Lackmustest für ein Land, das sich gern als Vorreiter im Tierschutz rühmt. Denn solange wir uns mit Teilspalten als Fortschritt begnügen, liegt das Stroh der Gerechtigkeit zwar griffbereit – doch für die Schweine bleibt es weiterhin unerreichbar.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.

NEU: Jetzt hier LIVE reinhören!

OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten