Wahl-Kommentar

Koalition oder Verweigerung: Grüne in der Doppelmühle

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Ein Kommentar von Polit-Expertin Karin Strobl.

Viel wird dieser Tage über eine mögliche Regierungsbeteiligung der Grünen auf Bundesebene gesprochen. Nicht von den Grünen selbst, wohlgemerkt. Werner Kogler hat in Interviews stets ­betont, dass die Grünen für Sondierungsgespräche bereitstehen.

Das heiße noch lange nicht, dass es sich dabei um Koalitionsverhandlungen oder gar um eine Koalition mit Türkis handelt. Da liegt zwischen der ÖVP und den Grünen noch ein sehr langer Weg. Nicht so sehr beim Thema Klimaschutz und der ­Umsteuerung von ökologischen Steuermaßnahmen, wie jetzt viele vermuten möchten. Hier gibt es erste zarte grüne Triebe bei der ÖVP. Vielmehr trennt Türkis und Grün die Haltung bei den Maßnahmen der Integration.

Die Frage wird vielmehr sein: Wie ernsthaft geht die ÖVP in Sondierungsgespräche mit den Grünen? Fest steht, dass die Grünen nicht unbedingt in einer Regierung vertreten sein müssen. Die Grünen können Opposition, das haben sie 31 Jahre lang bewiesen.

Der Druck auf die Grünen kommt aber auch von­seiten vieler Wählerinnen und Wähler nicht nur links der Mitte. Sie er­warten sich von den Grünen, dass sie eine schwarz-blaue Mehrheit in diesem Land verhindern. Das weiß auch Kurz und wird bei den Sondierungsgesprächen mit den Grünen wohl eine harte Verhandlungslinie einschlagen.

Zwickmühle 1: Basis gegen zu viel Kompromiss

Der ÖVP-Chef hat bereits im ORF-Sommergespräch deutlich gemacht, dass er mit jener Partei in eine Koalition eintreten werde, die sein 100-Punkte-Programm unterstützt. Das klingt wenig nach Kompromiss.

Das bringt die Grünen in die erste Zwickmühle: Geben sie Kurz bei den ersten Sondierungsgesprächen bei ihren Kernthemen Klima, Soziales, In­tegration zu sehr nach, droht ihnen bei der eigenen Basis Ungemach. Die wiedererstarkten Grünen haben mit dem Ergebnis bei den Europawahlen im Mai (14,08 %) Selbstbewusst­sein getankt. Der Druck von der grünen Basis lastet daher enorm auf Koglers Schultern.

Zwickmühle 2: VP würde Grünen Schuld geben

Das bedeutet für die Grünen eine zweite Zwickmühle: Ziehen sich die Grünen daher wegen inhaltlicher Differenzen aus Sondierungs- oder gar ­Koalitionsgesprächen mit Türkis zurück, steht der Spin der ÖVP bereits heute schon fest: Die ÖVP wird trommeln, dass Kurz die Gespräche mit den Grünen gerne weitergeführt hätte, doch leider sei mit der Ökopartei eben kein Staat zu machen. Sprich: Die Grünen seien daran schuld, dass die ÖVP wieder mit der FPÖ eine Koalition eingehen müsse.

Ob sich Sebastian Kurz diese Kommunikationsstrategie nicht schon bereits vor Monaten zurechtgelegt hat, darf an dieser Stelle zumindest vermutet werden.

Die Meinungen in unseren Kommentaren und Analysen müssen nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.

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