Konflikt eskaliert

27 chinesische Kampfjets drangen in Taiwans Luftraum ein

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''Diejenigen, die China beleidigen, werden bestraft'', sagte Außenminister Wang Yi am Mittwoch am Rande des ASEAN-Außenministertreffens im kambodschanischen Phnom Penh.

Taipeh/Peking. China hat den USA wegen des Taiwan-Besuchs der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi mit "Bestrafung" gedroht. "Diejenigen, die China beleidigen, werden bestraft", sagte Außenminister Wang Yi am Mittwoch am Rande des ASEAN-Außenministertreffens im kambodschanischen Phnom Penh. Erneut drangen am Mittwoch chinesische Kampfjets in die Luftverteidigungszone von Taiwan ein.

Wiederholte Luftraumverletzung

27 Flugzeuge der chinesischen Luftwaffe seien am Mittwoch in die taiwanische Luftverteidigungszone eingedrungen, teilte das Verteidigungsministerium Taiwans auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter mit. 

 

 

Bereits am Dienstag waren während Pelosis Besuchs mehr als 20 chinesische Militärflugzeuge in die Luftverteidigungszone Taiwans geflogen, wie Beamte in Taipeh mitteilten. China erklärte daraufhin, dass die Militärübungen, die bis zu 20 Kilometer an die Küste Taiwans heranreichen, zum Schutz von Chinas Souveränität "notwendig und legitim" seien.

Kritik an Pelosi-Besuch

Chinas Außenminister Wang bezeichnete den Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses in Taiwan als "Farce". Er warf den USA vor, die chinesische Souveränität "unter dem Deckmantel der sogenannten 'Demokratie'" zu missachten. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow übte scharfe Kritik an dem Besuch, mit dem die USA der Welt ihre "Gesetzlosigkeit" demonstrierten. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ergänzte, dass man die durch Pelosis Besuch ausgelösten Spannungen "nicht unterschätzen" dürfe.

Pelosi hielt sich weniger als 24 Stunden in Taipeh auf. Spätabends am Dienstag angekommen, traf sie am Mittwoch mit Präsidentin Tsai zusammen, ehe sie am frühen Abend nach Südkorea weiterflog. Zuvor hatte die US-Spitzenpolitikerin in Taipeh noch Menschenrechtsaktivisten getroffen, darunter den früheren Führer der 1989 blutig niedergeschlagenen Demokratiebewegung in China, Wuer Kaixi.

Pelosi betont US-Solidarität

Nach dem Treffen mit Tsai betonte die US-Parlamentspräsidentin, dass Amerikas Solidarität mit Taiwan mehr denn je von entscheidender Bedeutung sei. Die Entschlossenheit der USA, die Demokratie in Taiwan und dem Rest der Welt zu bewahren, sei "eisern". Sie dankte der taiwanesischen Präsidentin für ihre Führungsstärke und warb für eine verstärkte interparlamentarische Zusammenarbeit. "Wir schätzen, dass Taiwan eine der freiesten Gesellschaften der Welt ist", sagte Pelosi vor dem taiwanesischen Parlament. In Handelsfragen biete die neue US-Gesetzgebung zur Stärkung der US-Chipindustrie gegenüber China "eine größere Chance für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Taiwan".

Pelosi stellte zugleich klar, dass die USA weiterhin die Ein-China-Politik respektierten. Man unterstütze den Status Quo und wolle nicht, dass Taiwan Gewalt angetan werde, sagte sie mit Blick auf unverhohlene Drohungen des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping, die Insel mit militärischer Gewalt zu erobern.

Tsai dankte Pelosi für ihre konkreten Maßnahmen zur Unterstützung Taiwans in dieser kritischen Phase und erklärte, die Insel werde angesichts der zunehmenden militärischen Bedrohung durch China nicht zurückweichen. Taiwan sei ein zuverlässiger Partner der Vereinigten Staaten und werde weiter die Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, wirtschaftliche Entwicklung und Lieferketten vorantreiben.

Militärische Reaktion Chinas

China hatte den USA ein "Spiel mit dem Feuer" vorgeworfen und eine militärische Reaktion auf Pelosis Besuch angekündigt. Unter anderem wurden mehrere Militärmanöver mit Schießübungen in der Nähe der Insel angekündigt. Außerdem wurden wirtschaftliche Bestrafungsmaßnahmen ergriffen. So stellte China den Export von Sand nach Taiwan aus, während es von dort die Einfuhr von Zitrusfrüchten, gefrorenem Makrelenfilet und gekühltem Fisch der Sorte Haarschwanz untersagte.

Das taiwanesische Militär bezeichnete die Militärmanöver als "schweren Verstoß" gegen das Seerechtsübereinkommen der UNO. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur CNA befürchtet das Militär, dass die an verschiedenen Orten rund um die Insel stattfindenden Militärübungen auf eine See- und Luftblockade Taiwans hinauslaufen.

Auch Japan über Vorgänge besorgt

Die Manöver lösten in Japan Besorgnis aus. Das Gebiet nahe Taiwan, in dem China ab Donnerstag Manöver plane, überschneide sich mit Japans exklusiver Wirtschaftszone, sagte Japans Regierungssprecher Hirokazu Matsuno am Mittwoch laut der Nachrichtenagentur Kyodo. Man habe Peking die Besorgnis übermittelt.

Das südkoreanische Präsidialamt rief Peking und Washington zum Dialog auf. Seoul wolle mit allen beteiligten Staaten in engem Kontakt bleiben, sagte ein Vertreter des Präsidialamts am Mittwoch dem öffentlich-rechtlichen südkoreanischen Sender KBS zufolge mit Blick auf Pelosis Besuch in Taiwan. Die Grundlage dafür sei die Notwendigkeit, "Frieden und Stabilität in der Region durch Dialog und Zusammenarbeit" zu erhalten.

Der russische Außenminister Lawrow sagte am Rande eines Besuchs in Myanmar, die USA agierten nach dem Motto "Ich mache, was ich will". Ein solches Ärgernis sei aus dem Nichts geschaffen worden, wohl wissend, was das für China bedeutet, sagte der russische Außenminister nach Angaben der Staatsagentur Tass.

Der Pelosi-Besuch überschattet auch ein Außenministertreffen der ASEAN-Staaten in Kambodscha. An den mehrtägigen Gesprächen, die am Mittwoch in der Hauptstadt Phnom Penh begonnen haben, nehmen auch der chinesische Außenminister Wang Yi und US-Außenminister Antony Blinken teil. Das Treffen der Staatengruppe sei eine Chance, um die angespannte Lage zu beruhigen, sagte der kambodschanische Vize-Außenminister Kung Phoak. Er sagte laut Medienberichten, es müsse sichergestellt werden, dass die Situation in Taiwan "sicher und stabil" sei und nicht zu einem Konflikt eskaliere.

Konflikt um Taiwans Unabhängigkeit

China betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik. Taiwan dagegen hat mehrfach erklärt, es sei ein unabhängiges Land. Anerkannt wird die Insel allerdings nur von einigen wenigen Ländern, weil dem größten Teil der Staatengemeinschaft - darunter Österreich - die Beziehungen zur Volksrepublik China wichtiger sind. Auch die USA erkennen Taiwan nicht als unabhängigen Staat an, sehen sich aber weiterhin an nach dem Zweiten Weltkrieg eingegangene militärische Beistandsverpflichtungen gebunden. US-Präsident Joe Biden hat kürzlich öffentlich versichert, dass Washington Taipeh im Fall einer chinesischen Aggression beistehen würde.

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