Volksabstimmung in der Schweiz

Abschiebung schon bei Bagatellfällen?

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Am Sonntag stimmen die Schweizer über ein verschärftes Ausländerrecht ab.

Nach der "Ausschaffungsinitiative" kommt die "Durchsetzungsinitiative": Mehr als fünf Jahre, nachdem die Schweizer per Volksentscheid die bis dato strengste Regelung zur Abschiebung krimineller Ausländer beschlossen hatten, sollen sie am Sonntag über eine erneute Verschärfung abstimmen.

Automatische Ausweisung
Der Gesetzentwurf der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) sieht die automatische Ausweisung (Ausschaffung) straffällig gewordener Nichtschweizer vor - und das selbst schon bei kleineren Vergehen. Der Ausgang des Referendums ist Meinungsumfragen zufolge offen.

Mit einem simplen Bild wirbt die SVP - die stärkste Partei in der Schweiz - für ihre Volksinitiative "zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer": Ein weißes Schaf auf der roten Fahne mit dem Schweizer Kreuz befördert ein schwarzes Schaf mit einem kräftigen Fußtritt nach draußen.

Abschiebung etwa bei "einfacher Körperverletzung"
Die Liste der Gründe, für die Ausländer ihr Aufenthaltsrecht verlieren, ist noch länger als bei der ersten Abstimmung im November 2010. Zu ihnen zählen neben Mord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch Drogenhandel und Sozialmissbrauch - oder geringfügige Vergehen wie "einfache Körperverletzung", Teilnahme an einer Rauferei, "falsche Anschuldigungen" und "Drohungen gegen Beamte", wenn es sich um Wiederholungstäter handelt. Betroffen sind auch Nachkommen von Einwanderern, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, aber nicht die Staatsbürgerschaft besitzen.

Regierung und Parlament hatten bei ihrer Umsetzung der ersten Initiative im vergangenen März eine Klausel eingefügt, die es Richtern ermöglicht, in Härtefällen die automatische Ausweisung zu stoppen. Die SVP sprach von einer Verwässerung des Volksentscheids - mit der neuen Regelung würden Einzelfallprüfungen und die Abwägung der Verhältnismäßigkeit nun weitgehend entfallen.

Heftige Kontroversen
Die Initiative sorgt für heftige Kontroversen in einem Land, in dem immerhin ein Viertel der ständigen Bewohner keinen Schweizer Pass hat. Allerdings steht die SVP mit ihrem Vorstoß weitgehend allein da. Eine breite Front lehnt ihn ab, darunter alle anderen Parteien sowie Regierung und Parlament, nach deren Auffassung sie gegen die "Grundregeln" der Demokratie verstößt.

Eine Petition für ein Nein zur SVP-Initiative wurde seit ihrem Start Ende Jänner von 50.000 Menschen unterschrieben, darunter hunderte Prominente, Rechtsprofessoren und amtierende und frühere Abgeordnete. Der Vorsitzende der Bürgerlich-Demokratischen Partei, Martin Landolt, verbreitete über Twitter ein Plakat, das zeitweise an mehreren eidgenössischen Bahnhöfen hing und mit dem zu einem Hakenkreuz umgewandelten Schweizer Kreuz für das Nein warb.

Ausweisungen theoretisch verzwanzigfacht
Nach einer Berechnung des Statistikamts wären im Jahr 2014 knapp 3900 Ausländer ausgewiesen worden, wäre das im vergangenen März verabschiedete Gesetz damals schon in Kraft gewesen. Nach der neuen SVP-Initiative wären es mehr als 10.200 gewesen. Tatsächlich waren es rund 500.

Ob die Kampagne der SVP Erfolg hat, ist fraglich. Vor allem in jüngster Zeit scheint bei vielen Wählern nach anfänglicher Zustimmung ein Umdenken eingesetzt zu haben: In einer jüngsten Meinungsumfrage des Instituts gfs.bern lehnten 49 Prozent der Befragten die Initiative ab, bei 46 Prozent stieß sie auf Zustimmung. Allerdings waren fünf Prozent noch unentschieden.

Weitere Volksabstimmungen
Bei weiteren Volksabstimmungen geht es am Sonntag unter anderem um den Bau einer zweiten Röhre für den Gotthard-Straßentunnel. Die Regierung will diese Röhre, um den in die Jahre gekommenen Tunnel sanieren zu können, ohne den Verkehr auf der wichtigsten Transitstrecke durch die Alpen unterbrechen zu müssen. Eine weitere von der Regierung abgelehnte Initiative fordert gleiche Steuern für verheiratete Paare und Paare, die ohne Trauschein zusammenleben und oftmals weniger zahlen müssen.

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