Flüchtlinge

Balkanroute dicht: Kurz und Mikl zufrieden

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Mittlerweile sitzen 35.000 Flüchtlinge in Griechenland fest.

Die Balkanroute für Flüchtlinge ist faktisch geschlossen. Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien lassen seit Mittwoch niemanden ohne gültigen Reisepass und Visa mehr passieren. Damit sitzen mehr als 35.000 Menschen in Griechenland fest. Österreichs Regierung zeigte sich zufrieden, Kritik kam von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel.

Auch das Schicksal der Flüchtlinge, die bereits auf der Strecke nach Westeuropa unterwegs sind, ist völlig offen. Ungarn rief landesweit den Krisenzustand aus, Polizei und Militär an der Grenze sollen verstärkt werden.

Kettenreaktion
In Gang gesetzt wurde die Kettenreaktion von Slowenien. Die Regierung kündigte am Dienstag an, ab Mitternacht wieder streng die Schengen-Regeln anzuwenden und nur noch Menschen mit gültigen Pässen und Visa einreisen zu lassen. Kroatien, Serbien und Mazedonien schlossen sich dieser Entscheidung an. Die serbische Regierung schrieb auf ihrer Internetseite: "Serbien kann es sich nicht leisten, eine Sammelstelle für Flüchtlinge zu werden."

Damit ist die Balkanroute, über die 2015 mehr als eine Million Menschen nach Österreich und vor allem nach Deutschland gekommen waren, praktisch geschlossen. Die meisten Flüchtlinge aus Bürgerkriegsregionen haben keine Chance, in ihrer Heimat gültige Dokumente oder Visa zu erhalten.

"Massive Entlastung"
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach von einer "massiven Entlastung" des Flüchtlings-Ansturmes nach der Schließung der Balkanroute und will noch diese Woche 200 Polizisten von der Südgrenze wieder abziehen. Die Kräfte könnten aber unverzüglich wieder aufgestockt werden, wenn dies notwendig werden sollte, sagte Mikl-Leitner gegenüber der APA.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hatte die Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge bereits am Dienstag begrüßt: "Wir haben monatelang darauf hingearbeitet", so Kurz in der ORF-ZiB2. Dass nun bei Ausweichrouten über das Mittelmeer mehr Tote zu befürchten seien, kommentierte Kurz so: "Die meisten Toten entstehen, wenn wir in Europa offen sind und dazu verleiten, dass sich immer mehr auf den Weg machen."

Kritik von Merkel
Merkel (CDU) kritisierte die faktische Abriegelung der Balkanroute. "Das ist nicht die Lösung des Gesamtproblems", sagte sie am Mittwoch. Natürlich kämen nun weniger Asylbewerber nach Deutschland. Dafür seien aber jeden Abend die Fernsehbilder gestrandeter Flüchtlinge in Griechenland zu sehen. Das könne auf Dauer nicht gut gehen. Mit Blick auf Griechenland und die EU mahnte die Kanzlerin: "Wir können es uns nicht in 27 Ländern nett machen und ein Land alleine mit dem Problem lassen."

Vizekanzler Reinhard Mitterlehner (ÖVP) traf Merkel am Mittwoch in Berlin. Er habe gegenüber Merkel "felsenfest" die Auffassung vertreten, dass dies der einzige Weg seien: "Österreich hat Fakten geschaffen, mit der die Politik des Durchwinkens beendet wurde und die den europäischen Konsens gefunden hat. Wir sehen die österreichische Vorgangsweise nach wie vor als richtig an." Nur durch die Fakten habe es auch in Griechenland entsprechende Aktivitäten gegeben, "sonst hätte man immer weiter zugewartet und wäre die Situation wäre unverändert geblieben".

Gemeinsame Entscheidung
EU-Gipfelchef Donald Tusk begrüßte die Entwicklung. Dies sei keine Frage einseitiger Maßnahmen, sondern eine gemeinsame Entscheidung der 28 EU-Staaten, erklärte er auf Twitter. Tusk bezog sich damit auf die Abschlusserklärung des EU-Gipfels vom Montag, in der es heißt: "Bei den irregulären Migrationsströmen entlang der Westbalkanroute ist das Ende erreicht."

Spätestens auf dem nächsten Gipfel am 17. und 18. März will die EU ein Bündnis mit der Türkei schließen, um den Flüchtlingszustrom einzudämmen und in geordnete Bahnen zu lenken. Das türkische Angebot sieht vor, dass die EU alle illegal ankommenden Menschen von den griechischen Inseln wieder in die Türkei zurückschicken kann. Zugleich sollen aber ebenso viele Flüchtlinge legal aus der Türkei in die EU kommen. Kurz betonte im Wiener Parlament, ein möglicher Flüchtlings-Deal mit der Türkei dürfe zu keiner Aufgabe der europäischen Ansprüche an die Menschenrechte und Grundfreiheiten führen.

Umsiedlungen
Unklar blieb, welche EU-Staaten die Flüchtlinge aufnehmen könnten. Nach ersten Überlegungen könnten Syrer aus der Türkei über das bereits vereinbarte System zur Umsiedlung von 160.000 Flüchtlingen in der EU verteilt werden. Ein Extrakontingent wird nicht für notwendig gehalten. Zudem fordert Ankara eine Verdoppelung der EU-Hilfszusagen auf sechs Milliarden Euro.

Dramatische Lage in Griechenland
Die Lage in Griechenland wird immer dramatischer. Nach Angaben des Krisenstabs in Athen stecken inzwischen fast 36.000 Flüchtlinge im Land fest. Und die Zahl steige von Stunde zu Stunde, da immer neue Schutzsuchende aus der Türkei ankämen. Seit Jahresbeginn haben bereits mehr als 132.000 Migranten aus der Türkei zu den griechischen Inseln übergesetzt, 38 Prozent von ihnen Kinder, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk mitteilte.

Am Grenzübergang nahe dem griechischen Idomeni harrten rund 13.000 Flüchtlinge in Campingzelten aus. Angesichts von Dauerregen und katastrophaler hygienischer Bedingungen begannen die griechischen Gesundheitsbehörden am Mittwoch mit der Impfung von Kindern. Bis zum frühen Nachmittag verließ zudem eine Handvoll organisierter Busse mit Migranten Idomeni in Richtung Athen.

Evakuierung
Dass eine Evakuierung des Camps bevorstehe, wurde seitens des Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) gegenüber der APA nicht bestätigt. Man sei bisher nicht darüber informiert worden. Das Lager werde nicht zwangsgeräumt, berichtet auch die Tageszeitung "Kurier" in seiner Donnerstag-Ausgabe. "Im Moment haben wir keine derartigen Pläne, und es gibt auch keinen Grund dafür, so lange die Menschen dort ruhig bleiben und es zu keinen Ausschreitungen kommt", sagte eine Regierungsvertreterin zum "Kurier". Vielmehr sollen die dort wartenden Flüchtlinge dazu gebracht werden, freiwillig in andere Lager - mit warmem Wasser und Versorgung - zu wechseln.

Der chinesische Künstler Ai Weiwei (58) besuchte die Flüchtlinge in Idomeni. "Ich bin auch nur einer von ihnen, deshalb bin ich hier", sagte er. "Das hier ist die Realität. Es zeigt, wie Europa funktioniert, wie die Menschheit funktioniert, in welchem Zustand die heutige Welt ist."

Neue Wege verhindern
Die Anrainerstaaten der Balkanroute wollen verhindern, dass Flüchtlinge neue Wege über ihre Staatsgebiete suchen. Ungarn rief vorsorglich den Krisenzustand aus, was der Polizei mehr Rechte einräumt und dichtere Personenkontrollen ermöglicht. Ungarns Grenzen zu Serbien und Kroatien sind bereits mit Zäunen abgesperrt. Auch Bulgariens Innenministerin Rumjana Batschwarowa erklärte: "Wir haben dieses Risiko erkannt und ergreifen alle Maßnahmen dagegen." In Deutschland und Österreich hat die Schließung der Balkanroute zu einem Rückgang der Flüchtlingszahlen geführt.
 

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