Johnson "spielt mit Feuer"

Brexit: EU-Parlament besorgt über künftige Partnerschaft mit London

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Geografischer Nähe und hoher Vernetzung der Volkswirtschaften müssten Rechnung getragen werden - Winzig: Johnson ''spielt mit Feuer'' - Schieder: Gefahr eines No-Deals ''lange nicht gebannt''

Brüssel/Wien/London. Das Europaparlament hat am heutigen Donnerstag mit großer Mehrheit seine Empfehlungen für eine neue Partnerschaft mit dem ehemaligen EU-Mitglied Großbritannien beschlossen. "Diese Entschließung macht klar, dass wir keinen Deal unterzeichnen werden, der unsere Bürgerinnen und Industrie schwächen würde", erklärte Neos-EU-Abgeordnete Claudia Gamon dazu.
 
In der Resolution drücken die Europaparlamentarier ihr Bedauern, dass in vier Verhandlungsrunden "keine richtigen Fortschritte" gemacht wurden, und ihre Besorgnis darüber aus, wie limitiert die künftige Partnerschaft ist, die Großbritannien anstrebt. Jedes Abkommen über ein neues Verhältnis zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich habe kohärent zu sein sowie der geografischen Nähe beider Parteien und der hohen Vernetzung der Volkswirtschaften beider Parteien Rechnung tragen, heißt es im Resolutionsentwurf, der die Prioritäten des Europaparlaments festlegt.
 
Großbritannien hat die EU im Jänner verlassen, bis Jahresende läuft eine Übergangsfrist, innerhalb derer es zu einer Einigung über die Gestaltung der künftigen Beziehungen kommen sollte. London strebt eine Verlängerung der Frist nicht an, die EU wäre dazu bereit.
 
Für ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig spielt der britische Premierminister Boris Johnson bei den Verhandlungen "sprichwörtlich mit dem Feuer". "Wenn er weiterhin nicht bereit ist, über konkrete und ernsthafte Inhalte zu sprechen, dann wird das Ende des Jahres für beide Seiten schlecht ausgehen - für Großbritannien noch schlimmer als für die EU", warnen Winzig und der ÖVP-Europaabgeordneter Lukas Mandl.
 
Auch der EU-Delegationsleiter der SPÖ Andreas Schieder sieht die "Gefahr eines No-Deal-Brexits" als "noch lange nicht gebannt" an. "Nach vier Verhandlungsrunden ohne jeden Fortschritt zwischen EU und Großbritannien wirkt der gespielte Optimismus von Premierminister Johnson reichlich fehl am Platz", kritisierte er. In der heutigen Resolution werde "zum wiederholten Male betont", dass "die europäische Seite ihre Hand ausgestreckt lässt, wenn transparent und sachlich auf Basis des unterzeichneten Austrittsabkommens verhandelt wird".
 
Der FPÖ-EU-Abgeordnete Roman Haider hält nichts von den Empfehlungen des Europäischen Parlaments zu den derzeitigen Brexit-Verhandlungen und bezeichnete diese als ein "Weiterwurschteln vor allem vonseiten der EU, um die Briten möglichst weiterhin politisch an die EU zu binden". Man sollte Großbritannien "endlich auf Augenhöhe begegnen und einen gesunden Mittelweg zwischen der Anerkennung britischer Souveränität und dem Vertreten der Interessen aller 27 Mitgliedsstaaten finden", meint Haider.
 
Die EU-Delegationsleiterin der Grünen Monika Vana sieht dies anders. "Da der Brexit nur Verlierer kennt, müssen wir auf eine möglichst enge Beziehung zum Vereinigten Königreich hinarbeiten", ist sie überzeugt. Dabei dürfe die EU jedoch "keine Zugeständnisse bei den vier Grundfreiheiten machen". Dies hält auch die Resolution fest. Ohne Personenfreizügigkeit gebe es für das Vereinigte Königreich keinen Zugang zum EU-Binnenmarkt, nennt Vana ein Beispiel. "Die EU-Standards in Umwelt-, Sozial- und Steuerrechten sind keine Verhandlungsmasse."
 
Die britische Regierung müsse sich nun schnell entscheiden, sagt Neos-EU-Abgeordnete Gamon. "Entweder sie bemühen sich um einen realistischen Zugang, der eine ambitionierte Partnerschaft erlaubt, oder sie kehren ihren engsten Verbündeten den Rücken zu und wählen die Isolation von Europa", so Liberale.
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