EU-Sondergipfel nächste Woche

Brexit: May will Austritt der Briten aus EU am 22. Mai

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Die britische Premierministerin May will den Brexit bis 22. Mai verschieben.

Die britische Premierministerin Theresa May will den Austritt ihres Landes aus der EU bis 22. Mai verschieben. Sie wolle imstande sein, die EU am 22. Mai zu verlassen, berichtete Reuters.
 
Dies ist auch der zweite von der EU genannte Termin, der im Fall eines vom britischen Parlament abgesegneten Deals gelten sollte. Mit 12. April müssten die Briten aus der EU ausscheiden, wenn sie keinen Vertrag zustande bringen. Nun will May, deren mit der EU ausverhandelter Deal bereits drei Mal krachend durchgefallen ist, es mit dem Labour-Chef Jeremy Corbyn versuchen und eine parteiübergreifen Lösung ermöglich.
 
Dies würde bedeuten, dass das bisher Unmögliche nun doch Realität werden könnte. Bis dato hatten sich beide Seiten mehr oder minder erbittert bekämpft.
 

No Deal scheint im Moment wahrscheinlicher

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hält weiterhin einen EU-Austritt Großbritanniensohne Abkommen für wahrscheinlich. "Der No Deal ist ein Szenario, das im Moment immer wahrscheinlicher erscheint", sagte Juncker am Mittwoch im EU-Parlament in Brüssel.
 
Über den Wunsch der britischen Premierministerin Theresa May nach einem weiteren Brexit-Aufschub müsse der Rat der EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden, sagte Juncker. Sonst sei keine weitere Verlängerung über den 12. April hinaus möglich. Ansonsten laufe die EU Gefahr, dass die Europawahl und ihr eigenes Funktionieren gefährdet werde.
 
Juncker betonte, die EU sei offen für Verhandlungen über eine Zollunion oder ein Freihandelsabkommen mit Großbritannien. Dies sei aber erst möglich, sobald das Austrittsabkommen unterzeichnet sei, "die Tinte muss nicht einmal trocken sein".
 
Die EU werde sich darauf vorbereiten, etwa im Flugverkehr und auf den Finanzmärkten, sagte Juncker. Die Notfallmaßnahmen würden die EU bis Jahresende schützen, aber Turbulenzen wären dann kaum zu vermeiden. Großbritannien wäre stärker betroffen, da es bei einem "No Deal" keinen Übergangszeitraum gäbe. Vorrangig sei der Schutz der Bürgerrechte, die Erfüllung der britischen Finanzverpflichtungen und eine Lösung für die irische Insel.
 

EU-Sondergipfel nächste Woche

Die britische Premierministerin Theresa May will beim EU-Sondergipfel in einer Woche in Brüssel neuerlich um eine Verschiebung des Austrittsdatums ansuchen. Dabei ist bisher nicht klar geworden, was die Briten wirklich wollen. Im Parlament in London wurde der von May mit der EU ausverhandelte Deal bisher drei Mal abgelehnt.
 
Aber auch alle Alternativvorschläge zum Austrittsabkommen - allein innerhalb der vergangenen Woche waren es zwölf - wurden mit Nein abgeschmettert. Zustimmung erhielt bisher nur die Absicht, dass es keinen "Hard Brexit", also keinen Austritt ohne Vertrag, geben soll.
 
Ursprünglich hätte Großbritannien am 29. März bereits die EU verlassen sollen. Dann wurde praktisch in letzter Minute von der EU eine Verlängerung erreicht, wobei dabei zwei Daten genannt wurden. Der 12. April für den Fall, dass bis dahin kein Vertrag zustande gekommen ist - das wäre der von allen Seiten befürchtete chaotische Brexit. Oder der 22. Mai, wenn die Briten sich doch noch einigen, und dann Zeit dafür erhalten, um die legistische Umsetzung vollenden zu können.
 
Nun geht es nach dem Wunsch von May um eine weitere Verlängerung - wobei die britische Regierungschefin von einer "so kurz wie möglichen" Verschiebung sprach. Um doch noch aus der bisherigen Sackgasse herauszukommen, ist sie erstmals auch bereit, mit Labour-Chef Jeremy Corbyn zu reden, um zu einem Kompromiss zu kommen. Das wiederum hat die Hardliner unter den "Brexiteers", die für einen sofortigen Ausstieg am besten ohne Deal sind, erzürnt. Aus diesen Reihen der Tories kamen auch schon Rücktrittsaufforderungen an May.
 
Bisher lehnte May Zugeständnisse an die Opposition kategorisch ab. Nun will May aber keinerlei Vorbedingungen stellen. Die Labour Party fordert eine engere Anbindung an die EU nach dem Brexit als bisher von London geplant. Unter anderem soll das Land nach dem Willen Corbyns in einer Zollunion mit der EU bleiben und eine enge Anbindung an den Binnenmarkt suchen. Sollten die Gespräche mit Corbyn kein Ergebnis bringen, will May das Parlament über Alternativen abstimmen lassen. Die Regierung werde sich danach richten, fügte May hinzu.
 
Auf EU-Seite stieß der neuerliche Verlängerungs-Wunsch Mays keineswegs auf begeisterte Zustimmung. Großteils herrschte Skepsis bis Zurückhaltung, weil angesichts des bisherigen Tohuwabohus auf britischer Seite kaum irgendeine Richtung absehbar war. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht überhaupt keinen Grund für eine Fristerstreckung. Das Chaos in Großbritannien habe sich nicht verändert. Eine Fristerstreckung wäre daher pure Spekulation.
 
Der deutsche Außenminister Heiko Maas äußerte sich ebenfalls zurückhaltend. "Letztlich müssen wir abwarten, was die Meinungsbildung in London mit sich bringt", sagte der SPD-Politiker in New York nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian und fügte hinzu: "Dass es längst 5 nach 12 ist, müsste sich eigentlich auch in London herumgesprochen haben." Le Drian sagte: "Drei Jahre nach der Entscheidung der Briten muss es jetzt eine klare Linie geben, sonst wird es leider zu einem harten Brexit kommen in den kommenden Tagen."
 
Dagegen unterstützt Irland die Forderung Mays nach einer neuerlichen Verlängerung des Brexit-Ausstiegsdatums. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass Großbritannien ohne Deal am 12. April die EU verlässt, so Außenminister Simon Coveney am Mittwoch. "Sie werden um eine kurze Verlängerung nächste Woche ansuchen. Und ich denke, Irland wird das unterstützen", erklärte Coveney.
 
In Großbritannien selbst geht es weiter drunter und drüber. Der konservative Abgeordnete Nigel Adams hat seinen Rücktritt als Staatssekretär für Wales erklärt. Er protestiert gegen die Entscheidung Mays, mit Corbyn zu verhandeln. Hier könnte es einen Deal "mit einem Marxisten" geben, kritisierte er.
 

Schottische Regierungschefin für zweites Referendum

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon plädiert für ein zweites Referendum über den Verbleib in der EU. Sie tritt außerdem für eine lange Aufschiebung des Austrittsdatums ein. Ferner saget sie, es bestehe die Gefahr, dass ein Kompromiss zwischen der britischen Regierungschefin Theresa May und Labour-Chef Jeremy Corbyn nur Stückwerk werde und nicht die beste Lösung für bringe.
 
Corbyn sagt laut der Zeitung "Evening Standard", er sei bereit zu "ernsthaften Beratungen" mit May. Er werde darauf bestehen, dass eine mögliche Vereinbarung mit ihr in ein Gesetz gegossen werde.
 
In Berlin sagt der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert, für eine weitere Verschiebung des Austrittsdatums müsse ein konkreter Antrag Großbritanniens vorliegen. "Soweit sind wir noch nicht." Deutschland verfolge die verschiedenen Vorschläge und Gedanken in London, könne diese aber noch nicht bewerten. Auf dem EU-Sondergipfel am Mittwoch nächster Woche würden die Vorschläge der britischen Regierung erörtert, die bis dahin auf dem Tisch lägen.
 

Van der Bellen für neues Referendum, Zeman dagegen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und sein tschechischer Amtskollege Milos Zeman sehen die aktuelle britische Politik sehr kritisch. Van der Bellen sprach in einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch in Wien von "Implosion der politischen Klasse" und Zeman von einem "Chaos". Uneinig waren sich die beiden in der Frage, ob die Briten erneut über den EU-Austritt abstimmen sollten.
 
Er sei ein "Verfechter der direkten Demokratie", sagte Zeman. Deswegen fände er es "nicht in Ordnung", knapp nach der Abhaltung eines Referendums wieder eines anzusetzen. Der Brexit sei ein "Unglück für beide Seiten", betonte Zeman. Er freue sich, dass er "weder die britische Königin noch britischer Premierminister" sei.
 
Van der Bellen dagegen schlug vor, dass nachdem das britische Parlament den Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May schon "zum x-ten Mal" abgelehnt hatte, man das Volk fragen sollte. Es sollte nur zwei Optionen geben, wobei eine dann naturgemäß eine Mehrheit hätte: entweder Hard Brexit ohne Vertrag oder remain, also Verbleib in der EU.
 
Sollte es bis zum 12. April keine Lösung geben und Großbritannien dann noch EU-Mitglied sein, müssten die Briten an den EU-Wahlen Ende Mai teilnehmen, betonte Van der Bellen.
 
Zeman sagte in Bezug auf die EU-Wahlen Ende Mai, dass er sich wünsche, jene Parteien würden gestärkt, die "eine Reform der EU anstreben und keinen Zerfall". Unter einer Reform verstehe er eine Stärkung des EU-Parlaments und eine Schwächung der EU-Kommission. Der EU-Rat, also die EU-Staaten, sollten die europäische Regierung sein und nicht die EU-Kommission, meinte Zeman. Diese produziere "viel zu viel unsinnige, technische Richtlinien" und bemühe sich, sich nationale Kompetenzen anzueignen.
 
Van der Bellen stimmte zwar überein, was die Stärkung des Parlaments betrifft. Auch dieses sollte das Initiativrecht erhalten, sagte er. Unterschiedlicher Meinung war er aber in Bezug auf die europäische Regierung und erläuterte Zemans Vorschlag anhand eines nationalen Beispiels. In Österreich würde man ja auch zögern, die neun Landeshauptleute zur österreichischen Regierung zu machen. Das sei nicht als Kritik an den Landeshauptleuten zu verstehen, nur würden eben vor Landtagswahlen Landesinteressen an erster Stelle stehen.
 
Die bilateralen Beziehungen bezeichneten die beiden Präsidenten als "ausgezeichnet". Zeman freute sich, dass ihm Van der Bellen endlich das Du-Wort angeboten habe und nannte ihn "lieber Sascha". Der Bundespräsident sprach davon, dass man "unter Freunden auch unterschiedliche Ansichten" vertreten könne. Österreich etwa sehe die Ausbaupläne der tschechischen Atomreaktoren kritisch.
 
Zeman wiederholte, dass er sich eine stärkere Kooperation zwischen Österreich und den Visegrad-Staaten (Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei) wünsche. "Es wäre gut, wenn auch in Mitteleuropa die Kooperation verstärkt wird", sagte Zeman und sprach vom Format "Visegrad plus". Van der Bellen unterstrich die Unterschiede Österreichs zu den vier Ländern. "Österreich ist neutral und nicht Mitglied der NATO." Die Beziehungen würden aber gepflegt. Und er kündigte an, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Juni an einer Visegrad-Konferenz im Juni teilnehmen werde.
 
Eine besondere Freude machte Zeman dem Bundespräsidenten mit einem Geschenk: weiße Wanderschuhe mit Comics drauf. Wenig Freude schien Zeman dafür mit einer Journalistenfrage gehabt zu haben. Angesichts der für nächste Woche geplanten Präsentation des gemeinsamen tschechisch-österreichischen Geschichtsbuchs wurde Zeman gefragt, ob man nun von Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg sprechen könne oder ob weiterhin das Wort Abschub verwendet würde. Zeman dazu: Mit Begrifflichkeiten sollten sich "qualifizierte Historiker und nicht nichtqualifizierte Journalisten auseinandersetzen".
 
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