Frankreich in größter Polit-Krise seit 1962, warum Macrons Regierung stürzte
Gelähmt. Nie zuvor stand Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, 46, so nahe am politischen Abgrund: Sein Premierminister Michel Barnier musste nach einem Misstrauensantrag zurücktreten. Die Zusammenarbeit zwischen Linksbündnis u nd Rechtsnationalen hat die Regierung im Streit um den Sparhaushalt gestürzt. Es war die Rache von Marine Le Pens Rassemblement National und dem Linksaußen-Bündnis um Jean-Luc Mélenchon.
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Nur drei Monate war der Premier im Amt -die kürzeste Amtszeit in der jüngeren Geschichte Frankreichs. Macron müsste eigentlich rasch einen neuen Premier ernennen. Alle nahmen an, dass er noch diese Woche entweder den 38-jährigen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, einen Ex-Republikaner, oder den Chef der Zentrumspartei, François Bayrou, mit seinen 73 Jahren ein Urgestein der französischen Politik, zum neuen Regierungschef machen werde. Es kam anders.
Macron musste die Ernennung verschieben. Das verlängert die Krise, die derzeit Frankreich erschüttert. Bei der Wiedereröffnung von Notre-Dame steht Macron ohne Regierung da.
Gestürzt ist die Mitterechts-Regierung nach einem Streit über den Haushalt. Frankreichs Budgetdefizit näher sich 6,2 Prozent der Wirtschaftsleistung -mehr als doppelt so hoch wie nach EU-Regeln.
Pleite. Im Streit darüber wurden auch Stimmen nach einem Rücktritt von Macron laut. Doch daran denkt er nicht, er macht weiter: "Das Mandat, das mir demokratisch anvertraut wurde, ist ein Mandat auf fünf Jahre, und ich werde es vollständig bis zu seinem Ende ausführen", so Macron im TV.
Antipoden. Barnier, der gescheiterte Premier, hat den Preis für Macrons riskante Politik gezahlt. Sein Sturz ist die direkte Folge von Macrons Entscheidung am Abend der EU-Wahlen im vergangenen Juni, vorgezogene Parlamentswahlen auszurufen. Diese führten im Juli zu einer völlig neuen Aufteilung der Nationalversammlung in drei große Blöcke: Bündnis der Linken und Grünen. Kräfte der politischen Mitte. Sowie das rechtsextreme Rassemblement National von Marine LePen als größte Einzelpartei.
Machtfaktor. Marine LePen und Linken-Chef Jean-Luc Mélenchon sind seither die grauen Eminenzen in Frankreich. Macron braucht den Rückhalt der Rechten und der Nouveau Front Populaire (NFP), dem Bündnis der Linken. Eine Minderheitsregierung überlebt nur, wenn beide Antipoden auf die eine oder andere Weise in eine Regierungskoalition eingebunden werden -ein Drahtseilakt, den Macron (vorerst) verlor: "Linksextreme und Rechtsextreme haben sich zusammengetan, um die Regierung zu stürzen. Nicht um zu schaffen, sondern um zu zerstören", so Macron.
Schachzug von Le Pen gegen Feind Macron
Vor allem Marine Le Pen, 56, bleibt Gegnerin Nummer 1: Sie will um jeden Preis vorgezogene Präsidentschaftswahlen. Oder, wenn nicht, eine Regierung, die direkt mit ihr verhandelt, von ihr abhängig ist. Mit dem zerstörerischen Schachzug hat sie jetzt ihr Ziel erreicht, Premierminister Michel Barnier zu entmachten und die Autorität von Präsident Emmanuel Macron weiter zu schwächen. Die Frage bleibt aber, ob die Wähler angesichts der schwächelnden wirtschaftlichen Lage ein von ihr mitverursachtes schrilleres politisches Chaos wollen.