Laut Grazer Neurobiologen macht ein Proteinkomplex den Muskeln Tempo
Ob langsame Schnecke oder geschwind wie ein Gepard: Das Bewegungsverhalten von Wirbeltieren wird von neuronalen Netzwerken im Hirnstamm und Rückenmark gesteuert - egal ob sie ihre Flügel wie die Möwen mit einer Frequenz von 3 Hz bewegen oder hurtig wie Klapperschlangen mit 100 Hz rasseln. Für die rasche Verarbeitung von motorischen Befehlen ist ein bestimmtes Protein zuständig, haben Forschende am Institut für Biologie der Universität Graz herausgefunden.
Das internationale Forschendenteam hat die Frage, was den Muskeln von Wirbeltieren Tempo macht, mithilfe der Klapperschlange gelöst, teilte die Uni Graz am Dienstag mit. Man sei auf diese Tierart aufmerksam geworden, "weil sie sowohl langsam voran kriecht als auch sehr schnelle Bewegungen beim berühmten Rasseln mit ihrem Schwanz ausführt", wie Maximilian Bothe und der Neurobiologe Boris Chagnaud vom Institut für Biologie der Uni Graz ihre Wahl begründeten.
Neuronalen Netzwerke untersucht
Die Forschenden haben die betreffenden neuronalen Netzwerke - die zentralen Mustergeneratoren (CPG) untersucht. Man kann zwischen Interneurone und Motoneurone unterscheiden: Erstere spielen eine wichtige Rolle bei der Ausbildung und Beibehaltung des Rhythmus und Geschwindigkeit der Fortbewegung. Die Motoneurone leiten die neuronalen Signale der Muskelgeneratoren zu den Muskeln weiter.
Klapperschlangen bieten laut den Grazer Forschern ein gutes Modell, um zu untersuchen, wie die Motoneurone schnelle und präzise Überträger der Muskelgeneratoren geworden sind. Bei Klapperschlangen ist es ja zur akustischen Kommunikation der Klapperschlangen wichtig, dass die schnellen Bewegungsrhythmen präzise ausgeführt werden. Diese Schlangen besitzen zwei unterschiedliche CPG in ihrem Rückenmark, die unterschiedlich ausgeprägte Bewegungen erzeugen: langsame zur Fortbewegung und andererseits schnelle Muskelkontraktionen, die für das charakteristische Rasseln gebraucht werden.
Optisch sind diese CPG kaum zu unterscheiden. Die Forscher haben erkannt, dass bestimmte physiologische Unterschiede in Nervenzellen die Ansteuerung von Muskeln ganz wesentlich beeinflussen und damit zugleich steuern, wie und wann sich ein Muskel zusammenzieht. Die Zusammensetzung der sogenannten KV7-Ionenkanäle spielen bei diesen Vorgängen eine entscheidende Rolle.
Porenbildende Proteinkomplexe
Ionenkanäle sind porenbildende Proteinkomplexe, die in die Zellmembran eingelagert sind und elektrisch geladenen Teilchen (Ionen) das Durchqueren von Biomembranen ermöglichen. Im speziellen Fall sind die KV7-Ionenkanäle in den Motoneuronen des Rückenmarks enthalten und bestimmen das Timing der gewünschten Aktivität.
Bothe und Boris Chagnaud haben ihre jüngsten Erkenntnisse zusammen mit Biologinnen und Biologen der Technischen Universität sowie der Ludwig-Maximilian Universität in München im Fachjournal Cell Press - Current Biology veröffentlicht. Beteiligt waren auch Forschende der Universität für Veterinärmedizin Hannover und der Michigan State University (USA).
In einem weiteren Schritt ist es dem Team gelungen, den Einfluss dieser Proteine zu verstärken und so langsame in schnelle Eigenschaften umzukehren. Dass mit der Zufuhr dieser Proteine nun sowohl langsame Wirbeltiere als auch wir Menschen Sprintläufer werden könnten, sei unwahrscheinlich. Die Verarbeitung der Bewegungsabläufe sei "ein komplexes Zusammenspiel vieler Komponenten", wie Bothe solche Erwartungen zerstreute.