Kommissionspräsident

EU-Chef Juncker droht mit Rücktritt

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Jean-Claude Juncker will sein politisches Schicksal an Schulz koppeln

Im Machtkampf um Brüsseler Spitzenposten soll EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine eigene Zukunft daran gekoppelt haben, dass EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sein Amt behalten darf. Andernfalls "kann ich für meine Zukunft als Kommissionspräsident nicht mehr garantieren", zitierte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" am Freitag eine Äußerung Junckers in kleinem Kreise.

Schulz gilt als leidenschaftlicher Europapolitiker und Erfinder des "Spitzenkandidaten"-Verfahrens, das Juncker den Posten des EU-Kommissionspräsidenten nach der Europawahl 2014 sicherte. Juncker und Schulz ritterten damals als Spitzenkandidaten der beiden großen europäischen Parteienfamilien um das Spitzenamt. Weil seine Europäische Volkspartei (EVP) die EU-Parlamentswahl gewann, wurde Juncker Kommissionspräsident. Schulz wiederum wurde als erster EU-Parlamentspräsident für eine zweite zweieinhalbjährige Amtszeit bestätigt.

Schulz vor Wechsel nach Berlin

Einer Parteienübereinkunft zufolge soll im Jänner ein EVP-Politiker die Führung des Europaparlaments übernehmen. Daher wird über einen Wechsel von Schulz nach Berlin spekuliert. Er ist Medienberichten zufolge als Nachfolger von Außenminister Frank-Walter Steinmeier und möglicher SPD-Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl im September im Gespräch.

Eine Sprecherin Junckers erklärte zum "Spiegel"-Bericht auf Anfrage: "Wir kommentieren Leaks nicht, da sie immer eine selektive, einseitige und daher stets falsche Sicht der Realität wiedergeben." Der Christdemokrat Juncker hat sich auch öffentlich dafür ausgesprochen, dass Schulz im Jänner erneut zum Parlamentspräsidenten bestimmt wird.

Sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag bekanntgeben, dass sie sich um eine vierte Kanzlerkandidatur bewirbt, müsste auch die SPD bald Farbe bekennen und sagen, mit welchem Spitzenkandidaten sie in den Bundestagswahlkampf ziehen will. ÖVP-Abgeordneter Othmar Karas sagte dem "Spiegel": "Ich erwarte von Herrn Schulz, dass er sich erklärt: Tritt er als Präsident des Europaparlaments noch mal an?"

Vorgeschichte
Das Geschacher in Brüssel erklärt sich aus einer recht verworrenen Vorgeschichte. Zu Beginn der Legislaturperiode 2014 vereinbarten die EVP als größte Fraktion und die Sozialdemokraten als Nummer zwei im EU-Parlament eine Art Große Koalition und eine Ämterrotation: Der schon seit 2012 amtierende Schulz sollte dem Parlament bis 2017 vorstehen und dann für einen Christdemokraten Platz machen. Darauf pocht die EVP nun.

Die Sozialdemokraten halten dagegen, mit Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk besetzten die Christdemokraten bereits zwei andere zentrale EU-Posten. Drei auf einmal seien zu viel. Sollte auch der Parlamentschef von den Christdemokraten gestellt werden, könnten die Sozialdemokraten möglicherweise eines der beiden anderen Spitzenämter reklamieren. Junckers Position ist vergleichsweise sicher, endet seine Amtszeit doch erst nach der Europawahl 2019. Tusks Mandat endet Mitte 2017. Medienberichten zufolge sind die EU-Staats- und Regierungschefs mit der Arbeit des ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten mehrheitlich zufrieden und geneigt, ihn für eine weitere Amtszeit zu wählen.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Knut Fleckenstein drohte vor wenigen Tagen damit, die Zusammenarbeit mit Juncker und den Christdemokraten aufzukündigen. Wenn Juncker weiter die Unterstützung der Sozialdemokraten haben wolle, hätten die Christdemokraten "keine andere Möglichkeit", als einer Wiederwahl von Schulz zuzustimmen, sagte Fleckenstein.

 

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