Kampf gegen Nationalismus

EVP-Spitzenkandidat Weber kritisiert FPÖ

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Freiheitliche sollten mit Salvini 'Klartext' reden - Tür für Briten 'jederzeit offen'.

EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) will im Wahlkampf zur EU-Wahl am 26. Mai neben Bayern und Deutschland auch in Österreich Flagge zeigen. "Österreich wird ein Land sein, in dem ich sehr stark präsent sein werde", sagte Weber im APA-Interview. Grund dafür ist die enge inhaltliche, programmatische und persönliche Partnerschaft mit Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz.

Kritik übte Weber an rechten populistischen und nationalistischen Parteien wie der AfD in Deutschland oder der FPÖ in Österreich, auch wenn man AfD und FPÖ "nicht über einen Kamm scheren kann". Es gebe in jedem Land eine spezifische Lage. "In Deutschland hat die AfD in Chemnitz ihr wahres Gesicht gezeigt. Da sind sie Seite an Seite mit Neonazis, mit Pegida-Vertretern, mit echten rechten radikalen Kräften marschiert. Das zeigt, dass bei der AfD Björn Höcke die eigentliche Führungsfigur ist. Die radikalen Rechten haben sich in der Partei durchgesetzt. Deswegen gibt es da keine Partnerschaft und wir werden gegen diesen Nationalismus kämpfen."
 

Kampf gegen Nationalismus 

Der Kampf gegen den Nationalismus und gegen jene, die eine europäische Partnerschaft ablehnen und damit die Zerstörung des Kontinents betreiben würden, ist Webers Wahlkampf-Fundament. Darüber hinaus will der EVP-Spitzenkandidat, der die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker anstrebt, mit einem Masterplan zur Krebsbekämpfung, einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die künftig statt des Einstimmigkeits- auf das Mehrheitsprinzip setzt, mehr Subsidiarität, der Forderung nach einer EU-weiten Digitalsteuer sowie einer Finanztransaktionssteuer und einem endgültigen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei punkten.
 
Die großen Fragen der Zeit könnten nur miteinander gelöst werden. "Europa ist extern durch Russland, USA und China herausgefordert - auch in unserer Nachbarschaft im Nahen Osten. Der Wind wird rauer und wir Europäer stehen ein Stück weit alleine. Das spüren die Menschen. Deswegen Ja zur Einheit und Ja zum Miteinander. Im Camp der Nationalisten ist offensichtlich keine Vorstellung vorhanden, wie man die Zukunft gestalten will. Die Europawahl ist eine Richtungswahl, ob sich die EVP als Bewegung der Mitte oder ob sich linke oder rechte Kräfte durchsetzen. EVP und ÖVP stehen für Stabilität und für ein Europa der Vernunft."
 
Italiens Matteo Salvini würde derzeit vor allem egoistisch auftreten. Die Stabilität des gesamten Euro-Raums dürfe nicht gefährdet werden, meinte Weber in Anspielung auf den jüngsten Budget-Konflikt zwischen Brüssel und Rom. "Da würde ich mir von Herrn Vilimsky und der FPÖ erwarten, mit Salvini, der bei den Migrationsfragen beklatscht wird, mal Klartext in der Euro-Frage zu reden. Man kann sich nicht als Mannschaft darstellen und gleichzeitig inhaltlich Welten auseinanderliegen. Der Zugang, jeder macht, was er will, kann Europa nicht in die Zukunft führen."
 

Warnt vor Folgen des Populismus

Es gebe ja leider einen aktuellen "Testfall", der zeigt, was passiert, wenn Europa infrage gestellt wird. "Wer den Populisten folgt, der muss auch mit den Konsequenzen leben. Das erleben wir am Brexit." London befinde sich in einer "chaotischen politischen Situation", wo keiner so recht weiß, wie das Land in die Zukunft gehen soll. "Die Lektion ist klar: es ist besser Europa zu erneuern, als Europa zu verlassen oder gar zu zerstören." Die Entscheidung, zu welcher Art des Brexit es kommt, liege nun beim britischen Unterhaus. "Wir haben ein faires Angebot auf den Tisch gelegt. Es ist für beide Seiten ein akzeptabler Vertrag, kein guter, weil der Brexit für beide Seiten nur Schaden bedeutet. Klar ist aber: Wer die Europäische Union verlässt, der kann nicht die Vorteile der Europäischen Union und des Binnenmarkts weiter für sich in Anspruch nehmen, der verliert diese Vorteile." Sollten die Briten doch noch den Ausstieg vom Ausstieg nehmen, ist Weber für einen Verbleib Großbritanniens in der EU: "Die Briten waren in der Europäischen Union immer willkommen. Sollten sie sich umentscheiden, ist die Tür jederzeit offen."
 
Den scheidenden EU-Kommissionschef Juncker nimmt Weber gegen Kritik der FPÖ in Schutz, auch gegen Alkohol-Vorwürfe durch FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky. "Ich finde es sehr bedauerlich, dass man versucht, Menschen und Politiker auf solche Art und Weise anzugreifen. Junckers Bilanz kann sich sehen lassen. In den letzten zehn Jahren wurden in Europa während der Finanzkrise 13 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, in der Flüchtlingspolitik wurden die Flüchtlingszahlen im Mittelmeer gegenüber 2015 um über 85 Prozent reduziert, in der Eurozone gibt es eine Neuverschuldung von unter 1 Prozent. Wir sind der stabilste Währungsraum der Welt und haben eine wirtschaftliche Dynamik wie die USA. Wir sind gut unterwegs, und daran hat Jean-Claude Juncker seinen Anteil. Trotzdem braucht es jetzt ein neues Bild für Morgen."
 
Junckers jüngste Kritik an einzelnen EU-Staaten teilt Weber. Der scheidende Kommissionspräsident hatte ja einigen Ländern "Heuchelei" vorgeworfen, weil sie bei der zuerst geforderten Aufstockung der EU-Grenzschutzagentur Frontex nun auf der Bremse stehen. "Es ist schon verwunderlich, dass die Staats- und Regierungschefs in ihren Beschlüssen festgelegt haben, dass sie bis 2020 rund 10.000 Frontex-Beamte aktiviert haben wollen, die in der Lage sind, dort zu helfen und zu unterstützen, wo Schlepperbanden und die Mafia unsere Außengrenzen attackieren und illegale Migration ermöglichen. Und als sich die zuständigen Innenminister getroffen haben, hieß es dann, man kann das nur bis 2025 oder bis 2027 schaffen. Wenn die Chefs sagen, wir wollen das so schnell wie möglich haben, sollten die Innenminister dem folgen."
 

Kritik an Orban

Kritik an zu engen Kontakten zum umstrittenen rechtspopulistischen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban lässt Weber abprallen. Auf die Frage, ob er Orban eher als Nationalisten oder Partner sehe, meinte der EVP-Fraktionschef im EU-Parlament: "Viktor Orban ist ein schwieriger Partner. Er hat einige Entscheidungen gefällt, die ich nicht akzeptieren kann, die wir in der Fraktion nicht akzeptieren können. Etwa, dass die Central European University nicht im bisherigen Umfang in Budapest weiter arbeiten kann und jetzt nach Wien gehen muss. Die Freiheit der Wissenschaft ist ein Grundprinzip der Europäischen Union. Ich selbst habe im EU-Parlament für ein Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn gestimmt, obwohl Viktor Orban Mitglied in der EVP-Parteienfamilie ist. Für die EVP gibt es keinen Rabatt in Sachen Grundrechte und Grundwerte."
 
Zurückhaltend kommentiert Weber Österreichs Alleingang bei der Indexierung der Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder, die von den meisten Rechtsexperten als Verstoß gegen geltendes EU-Recht eingestuft wird. Als möglicher künftiger EU-Kommissionspräsident muss Weber ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren vertreten. "Ich bin sehr dafür Missbrauch zu bekämpfen. Es muss jetzt die Rechtsfrage geklärt werden, inwieweit das mit dem heutigen europäischen Recht vereinbar ist oder nicht", so Weber.
 
Der EVP-Spitzenkandidat soll laut Medienberichten in seinem Heimatland Deutschland übrigens als gemeinsamer Spitzenkandidat von CDU und CSU antreten, was nach den Unions-Streitigkeiten in der Flüchtlingsfrage im vergangenen Sommer als bemerkenswertes Zeichen gilt. Weber selbst spricht von einem "wichtigen Signal der Einheit, dass die beiden Parteien gemeinsam den EVP-Spitzenkandidaten stellen. Die Aufgaben, die vor uns liegen, können wir nur gemeinsam lösen. Das ist die Erfahrung aus dem Jahr 2018 mit den durchwachsenen Wahlergebnissen in den Bundesländern, auch in Bayern. Deswegen ist die Botschaft für 2019, die Union hat eine Idee für die Zukunft und die werden wir auch gemeinsam präsentieren." Als Wahlziel nennt Weber die Verteidigung von Platz 1 im EU-Parlament. Damit wolle man auch "den Führungsanspruch in der EU unterstreichen". Den möglichen ÖVP-Spitzenkandidaten Othmar Karas nennt Weber eine "prägende Kraft" in der EVP-Fraktion. "Er hat viel Erfahrung und ist ein überzeugter Europäer. Ich schätze ihn, deshalb freue ich mich auf den gemeinsamen Wahlkampf mit ihm."
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