Das linke Oppositionsbündnis "Neue Volksfront" (NFP) hat die französische Parlamentswahl am Sonntag überraschend gewonnen.
Mit mindestens 181 der 589 Mandate stand das vom Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon angeführte Bündnis in der Nacht auf Montag als Sieger fest. Die favorisierten Rechtspopulisten von Marine Le Pen landeten mit 143 Sitzen nur auf dem dritten Rang hinter dem Präsidentenbündnis Ensemble mit 166 Mandaten. Drei Sitze waren noch zu vergeben.
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Die Wahl war von Staatspräsident Emmanuel Macron nach dem überzeugenden Sieg des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) bei der Europawahl im Juni angesetzt worden, um die Regierungsmehrheit von bisher 250 Mandaten zu bestätigen. Die oppositionellen Linksparteien hatten Macrons Pläne durchkreuzt, indem sie umgehend ein großes Bündnis schmiedeten und gemeinsam antraten. Dieses landete in der ersten Wahlrunde am 30. Juni an zweiter Stelle hinter dem rechtspopulistischen RN. Um einen Sieg der von Marine Le Pen angeführten Partei in der zweiten Wahlrunde zu verhindern, traf des linke und liberale Lager taktische Absprachen. Die 589 Parlamentsmandate werden nämlich nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben.
Premierminister Attal kündigte Rücktritt an
Premierminister Gabriel Attal kündigte noch vor dem Vorliegen offizieller Ergebnisse seinen Rücktritt an. Das Mitte-Lager von Staatspräsident Emmanuel Macron verfüge über keine Mehrheit mehr, teilte er nach Bekanntwerden erster Hochrechnungen mit. Er werde seinen Rücktritt am Montag in der Früh bei Präsident Macron einreichen. Macron kann Attal und die Regierung bitten, für die laufenden Geschäfte zunächst kommissarisch im Amt zu bleiben. Auch mit Blick auf die Olympischen Spiele, die am 26. Juli in Paris beginnen, kann es sein, dass die Regierung von Attal noch einige Wochen im Amt bleibt. Der 34-Jährige war erst im Jänner von Macron zum jüngsten Regierungschef in der jüngeren französischen Geschichte ernannt worden. Er gilt als beliebt und verbindend, stand als Spitzenkandidat des Regierungslagers im Wahlkampf aber auf verlorenem Posten. Macron ließ am Wahlabend mitteilen, dass er sich zunächst nicht äußern werde.
Schock im rechtspopulistischen Lager
Der Schock im siegesgewissen rechtspopulistischen Lager war groß. Parteiführerin Marine Le Pen sprach von einem "aufgeschobenen" Sieg ihrer Partei Rassemblement National. "Die Flut steigt. Sie ist dieses Mal nicht hoch genug gestiegen, aber sie steigt weiter und deshalb ist unser Sieg nur aufgeschoben", sagte sie im Fernsehsender TF1. Alle Umfragen hatten ihrer Partei einen klaren Sieg in der zweiten Runde vorhergesagt, wobei selbst die absolute Mehrheit in Reichweite zu sein schien.
Das siegreiche Linksbündnis stellte umgehend den Regierungsanspruch. "Die Neue Volksfront ist bereit zum Regieren", sagte der frühere Chef der linkspopulistischen La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon. Sozialisten-Chef Olivier Faure sprach sich ausdrücklich gegen eine mögliche "Koalition" mit dem Regierungslager aus. "Die Neue Volksfront muss diese neue Seite unserer Geschichte in die Hand nehmen", kündigte er die Umsetzung einer linken Sozial- und Wirtschaftspolitik an. So soll etwa auch die Pensionsreform Macrons zurückgenommen werden. "Es ist an der Zeit, die Superreichen und die Supergewinne zu besteuern", erklärte er.
Linke weit von Regierungsmehrheit entfernt
Trotz ihres Sieges ist die Linke aber weit von einer Regierungsmehrheit in der neuen Nationalversammlung entfernt. Zu ihren 181 Mandaten kommen 13 Sitze weiterer Linkskandidaten. Dasselbe gilt für das Präsidentenlager, das sich bisher von den konservativen Republikanern stützen ließ. Diese wurden auf 45 Mandate dezimiert. Mittepolitiker konnten sechs Mandate erobern, 15 Mandate gingen an Rechtspolitiker. Wegen der unübersichtlichen Mehrheitsverhältnisse sehen Beobachter Präsident Macron weiterhin in einer Schlüsselrolle.
Ex-Präsident Francois Hollande gelang bei der Wahl ein Parlamentscomeback. Allerdings erklärte er, "kein Kandidat" für den Posten des Premierministers. "Muss man, um in einer Regierung zu sein, noch ein Kandidat dafür sein, sie zu führen? Ich bin es nicht", sagte Hollande im Fernsehsender BMFTV. Allerdings ließ er Ambitionen auf einen Ministerposten durchblicken. Dem Sender France 2 sagte Hollande, er könne aufgrund seiner Erfahrung in der Außenpolitik "nützlich dabei sein, dass die Interessen Frankreichs gewahrt werden". Hollande hatte bei der Wahl einen zentralfranzösischen Wahlkreis erobert, den er bereits zwischen 1988 und 1993 sowie von 1997 bis 2012 vertreten hatte.
Babler freute sich über Sieg des linken Bündnisses
SPÖ-Chef Andreas Babler freute sich laut Aussendung über den überraschenden Sieg des linken Bündnisses in Frankreich. "Entgegen allen Umfragen hat sich heute einmal mehr gezeigt, dass die Rechte gestoppt werden kann", sagte Babler. "Ich bin überzeugt, dass es auch in Österreich gelingen kann, eine rechte Regierung zu verhindern und mit einer SP-geführten Regierung die Lebensbedingungen der Menschen wieder zu verbessern."
Bei Kundgebungen am Wahlabend kam es in Paris und anderen Städten zu schweren Ausschreitungen und Zusammenstößen. In Paris versammelten sich Tausende Menschen auf dem Place de la République im Zentrum der Hauptstadt, um den Sieg des Linksbündnisses bei der vorgezogenen Wahl zu feiern. Die Polizei setzte Tränengas gegen ausschreitende Demonstranten ein. Barrikaden aus Holz wurden in Brand gesetzt. Im Zentrum von Paris hatten etliche Geschäfte und Banken ihre Fenster am Wahltag mit Blick auf befürchtete Ausschreitungen mit Holzplatten gesichert.
Zusammenstöße zwischen Antifaschisten und Polizei
Auch aus Lille in Nordfrankreich wurden Zusammenstöße zwischen Antifaschisten und der Polizei gemeldet. Hier ging die Polizei ebenfalls mit Tränengas gegen die Menschen vor. Im westfranzösischen Rennes gab es nach Medienberichten 25 Festnahmen, nachdem die Bereitschaftspolizei mit Tränengas gegen linke Demonstranten vorgegangen war, die unter anderem "Alle hassen die Polizei" skandiert hatten. In Nantes wurde ein Polizist nach einem Bericht der lokalen Zeitung durch den Wurf eines Molotowcocktails verletzt. Demonstranten warfen Feuerwerkskörper auf die Sicherheitskräfte, die ihrerseits Tränengas einsetzen. In Frankreichs zweitgrößter Stadt Marseille kamen ebenfalls sehr viele Menschen zur Feier des Wahlsiegs der Linken im Stadtzentrum zusammen. Die Polizei hielt sich zunächst zurück, während die Demonstranten Slogans gegen rechtslastige Medien riefen.