Trauerfeier

Gedenken an Völkermord von Srebrenica vor 25 Jahren

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Hohe ausländische Staatsgäste konnten wegen Corona-Pandemie nicht kommen.

Srebrenica. Bei einer Trauerfeier in der Opfergedenkstätte Potocari haben Bosnien-Herzegowina und politische Vertreter aus aller Welt des Massakers von Srebrenica vor 25 Jahren gedacht. Hinterbliebene der Opfer, bosnische Spitzenpolitiker und ausländische Diplomaten legten Blumen am Denkmal nieder.

Hohe ausländische Staatsgäste konnten wegen der Corona-Pandemie nicht kommen. Dafür gab es Video-Botschaften, etwa von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und US-Außenminister Mike Pompeo.
 
Bei dem Massaker im ostbosnischen Srebrenica waren von 11. Juli 1995 an etwa 8.000 muslimische Männer und Buben von bosnisch-serbischen Verbänden ermordet worden. Die im Bosnienkrieg (1992-1995) verübte Gräueltat gilt als der erste Völkermord auf europäischem Boden seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945.
 
Steinmeier sagte in seiner Video-Botschaft: "Erinnern an das Leid und den Schmerz ist ein zentraler Baustein für Versöhnung." Die strafrechtliche Aufarbeitung der Geschehnisse sei dafür unumgänglich, zugleich gelte es aber auch, "neue Brücken zu bauen, wo alte zerstört wurden".
 
Die Vorsitzende des Opferverbandes Mütter von Srebenica, Munira Subacic, forderte auf der Gedenkfeier Gesetze in Bosnien, die die Leugnung des Völkermords unter Strafe stellen. "Ohne Wahrheit und Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden", sagte sie.
 
Das Internationale Jugoslawien-Tribunal in Den Haag (ICTY) verurteilte die zwei Hauptdrahtzieher des Massakers, den damaligen bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic und den damaligen bosnisch-serbischen Armeeführer Ratko Mladic, wegen Völkermordes zu langen Haftstrafen. Spitzenpolitiker im serbischen Landesteil von Bosnien, der Republika Srpska, leugnen den Genozid bis heute.
 
Bisher wurden die sterblichen Überreste von knapp 6.900 Opfern des Massakers gefunden und identifiziert. Zahlreiche weitere Familien wissen bis heute nicht, wo ihre ermordeten Angehörigen sind.

Schallenberg: Srebrenica schlimmstes Verbrechen seit 1945

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat anlässlich des 25. Jahrestags des Massakers von Srebrenica betont, "der Völkermord von Srebrenica" sei "das schlimmste Verbrechen in Europa seit Ende des zweiten Weltkriegs" gewesen. Dieser Gedenktag diene "der Erinnerung an die tausenden Ermordeten, die ihr Leben in den Tagen nach dem 10. Juli 1995 verloren haben."
 
"Der Völkermord an tausenden Bosniaken bleibt ein dunkler Fleck in der europäischen Geschichte", so Schallenberg in einer Aussendung am Samstag. "Heute erinnern wir uns an die tausenden unschuldigen Opfer und sind in Gedanken bei ihren Angehörigen".
 
"Der einzige Weg um die Opfer von Srebrenica und der Kriege im ehemaligen Jugoslawien zu ehren ist auf eine echte Versöhnung hinzuarbeiten", betont der Außenminister. Dies erfordere "Schuld einzugestehen und um Vergebung zu bitten, die Leugnung von unmenschlichen Verbrechen ist mit diesem Ziel unvereinbar".

Sobotka: Srebrenica ist auch Wunde in der europäischen Geschichte

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hat zum Gedenken des Völkermordes in Srebrenica vor 25 Jahren daran erinnert, dass Srebrenica "eine Wunde in vielen Familien der über 8.000 bosnischen Muslime, die in den Julitagen vor 25 Jahren grausam ermordet wurden", sei. "Es ist auch eine Wunde in der europäischen Geschichte, die noch nicht verheilt ist."
 
Das Gedenken an die Gräuel des Bosnienkrieges müsse "daher auch eine Mahnung sein, die Opferfamilien zu unterstützen und die dringend notwendige Versöhnungsarbeit in der Region fortzusetzen", so der Nationalratspräsident am Samstag in einer Aussendung. Der Weg zur Aussöhnung am Westbalkan könne nur über den Dialog gehen, betonte Sobotka: "Dabei ist es wesentlich, die Stimme der Überlebenden des Massakers von Srebrenica zu hören."
 
"Srebrenica ist eine Zäsur in der jüngeren Zeitgeschichte und ein Zivilisationsbruch, dessen Folgen heute noch spürbar sind", so Sobotka weiter. "Die europäische Perspektive eröffnet den Ländern des Westbalkans die Chance auf einen dauerhaften Frieden unter dem Dach der Europäischen Union. Das österreichische Parlament unterstützt die Staaten der Region auf dem Weg in Richtung EU, etwa mit dem Stipendienprogramm für die Parlamentsverwaltungen des Westbalkans, das in diesen Tagen zum zweiten Mal ausgeschrieben wurde".

Deutscher Außenminister: Srebrenica darf sich niemals wiederholen

Der deutsche Außenminister Heiko Maas hat an die Opfer des Massakers von Srebrenica vor 25 Jahren erinnert und eine weitere Aufarbeitung der damaligen Verbrechen angemahnt. "Am heutigen Tag sind wir mit unseren Herzen und unseren Gedanken bei den Opfern des Völkermords von Srebrenica und ihren Angehörigen", erklärte Maas am Samstag.
 
"Das Gedenken muss Ansporn sein, den Weg der Versöhnung und Aufarbeitung konsequent zu gehen."
 
Srebrenica stehe wie kein zweiter Ort "für die Gräuel und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, die in den 1990er Jahren begangen wurden". 8.000 Burschen und Männer seien damals mitten in Europa getötet worden. "Wir sind uns einig: Srebrenica darf sich niemals wiederholen", betonte Maas. "Nationalistischen Tendenzen, wo immer sie uns begegnen, müssen wir entschieden entgegen treten."
 
Neben dem Gedenken an die Opfer sei "die Anerkennung der strafrechtlichen Verantwortung der Täter zentral, um eine Gesellschaft zu versöhnen". Neben der internationalen Strafgerichtsbarkeit komme es auch auf die Länder selbst an - "sie tragen Verantwortung, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen", erklärte Maas.

Völkermord - das schlimmste Verbrechen

Völkermord ist der Rechtsbegriff für das schlimmste denkbare Verbrechen - Handlungen mit dem Ziel, ein Volk, eine Ethnie oder auch eine Glaubensgemeinschaft zu vernichten. Das Massaker von Srebrenica, bei dem im Juli 1995 etwa 8.000 muslimische Buben und Männer ermordet wurden, wird von Strafrechtlern als ein solches Verbrechen eingestuft.
 
Der Begriff Völkermord ist auch unter der Bezeichnung "Genozid" geläufig. "Genozid" ist aus dem griechischen "genos" (Herkunft) und dem lateinischen "caedere" (töten) zusammengesetzt. Der jüdische Anwalt Raphael Lemkin prägte das Wort im Jahr 1944, um eine Grundlage für die Bestrafung der von den Nazis begangenen Verbrechen zu legen.
 
Völkermord umfasst nach Artikel 2 der UNO-Konvention 260 aus dem Jahr 1948 Handlungen gegen Mitglieder einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe, die in der Absicht begangen werden, die Gruppe ganz oder zum Teil auszulöschen. Mit der Konvention 260 wurde der Völkermord international geächtet.
 
Zu den Straftatbeständen in der Völkermordkonvention gehören das Töten, das Zufügen ernsthafter körperlicher oder geistiger Schäden, das Auferlegen von Lebensbedingungen, die auf die völlige oder teilweise physische Zerstörung einer Gruppe abzielen, sowie die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung und Verschleppung von Kindern.
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