Teils gewaltsame Demonstrationen von Los Angeles bis New York nach Tod von Afroamerikaner in Polizeigewahrsam - Ausgangssperren in mehreren Großstädten verhängt, Festnahmen.
Minneapolis (Minnesota)/Washington/Wien. In den USA ist es den fünften Tag in Folge in mehreren Städten zu Demonstrationen und Unruhen nach dem gewaltsamen Tod eines Afroamerikaners bei einem Polizeieinsatz gekommen. Von Los Angeles über Miami bis Chicago gingen am Samstag Tausende auf die Straße. In 25 Städten in 16 Bundesstaaten - vom Norden bis zum Süden - wurden in der Nacht auf Sonntag Ausgangssperren verhängt, um die Proteste einzuschränken.
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"I can't breathe", skandierten sie, "Ich bekomme keine Luft." Das waren die Worte von George Floyd, einem unbewaffneten Mann, den am Montag in Minneapolis ein weißer Polizist minutenlang mit dem Knie auf dem Hals zu Boden gedrückt hatte. Der 46-Jährige starb wenig später im Krankenhaus. Seither weiten sich in den USA die Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt aus. In einigen Städten wurden Ausgangssperren verhängt.
Auch am Samstag begannen die Kundgebungen friedlich. Demonstranten blockierten Straßen. Einige zündeten Feuer an. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die zum Teil Tränengas und Plastikgeschoße einsetzte.
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In der Hauptstadt Washington demonstrierten Hunderte Menschen in der Nähe des Justizministeriums. Viele zogen später vor das Weiße Haus. Den Amtssitz von US-Präsident Donald Trump riegelten zahlreiche Polizisten ab - ausgerüstet mit Schutzschilden und zum Teil auf Pferden. Trump sagte am Samstag, wenn die Demonstranten, die sich in der Nacht zuvor auf dem Lafayette Square gegenüber dem Weißen Haus versammelt hatten, den Zaun zum Amtssitz überwunden hätten, "wären sie von den bösartigsten Hunden und den bedrohlichsten Waffen begrüßt worden, die ich je gesehen habe". Ein schwarzer Demonstrant trug in der Hauptstadt ein Schild mit der Aufschrift: "Bin ich der Nächste?" Auf Fernsehbildern aus Washington war zu sehen, wie ein Gebäude im Stadtzentrum brannte. "Das ist ein Land im Chaos", sagte ein CNN-Moderator.
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Sechs US-Bundesstaaten rufen Nationalgarde
Die sich rasch ausbreitenden Proteste gegen Rassismus fallen zusammen mit einem tiefen Frust wegen der Beschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus und der wirtschaftlichen Krise infolge der Pandemie. In einem surrealen Moment waren in Miami zur selben Zeit die Sirenen der Polizeiautos, die mit Blaulicht zum Einsatz gegen Demonstranten rasten, und das Feuerwerk zu Ehren der Pflegekräfte zu hören, die unermüdlich im Einsatz gegen das Coronavirus sind. Hunderte Polizisten schwärmten aus und drohten, jeden festzunehmen, der es wagte, auf die Straße zu gehen. Das galt auch für Journalisten.
Ausgangssperren in 25 Städten
In mehreren großen Städten, die in den vergangenen Tagen Schauplatz von Protesten waren, wurden Ausgangssperren verhängt: unter anderem in Atlanta, Los Angeles, Philadelphia, Denver, Cincinnati, Portland/Oregon und Louisville im Bundesstaat Kentucky. Kundgebungen gab es unter anderem in Dallas, Chicago, Seattle, Salt Lake City und Cleveland. Nach Angaben der Polizei kam es im Stadtzentrum von Los Angeles zu "großen und gewalttätigen Protesten". Demonstranten hielten sich nicht an die Ausgangssperre. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Geschäfte geplündert wurden. Alleine in Los Angeles waren nach Angaben vom Samstag bei Protesten nach dem Tod Floyds mehr als 500 Menschen festgenommen worden. Auch in anderen Metropolen kam es zu Festnahmen.
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In Minneapolis war es auf den Straßen tagsüber weitgehend ruhig. Die Nationalgarde patrouillierte in gepanzerten Fahrzeugen in der Stadt. Später schlossen die Behörden mehrere Autobahnen in die Metropolregion, die die beiden Großstädte Minneapolis und Saint Paul im Bundesstaat Minnesota bilden. In der Abenddämmerung, etwa eine halbe Stunde nach Beginn der Ausgangssperre, rückte eine Polizeikette in Minneapolis zu einer Stelle vor, wo sich rund 500 Demonstranten in der Nähe einer ausgebrannten Bank versammelt hatten. Die Polizei setzte Tränengas, Pfefferspray und Plastikgeschoße ein, um die Menge zu vertreiben.
In Chicago demonstrierten Tausende den zweiten Tag in Folge, zum Teil kam es zu Gerangel zwischen Demonstranten und der Polizei. Im Stadtteil Brooklyn in New York City, wo am Freitag 200 Menschen festgenommen worden waren, fuhr ein Polizeieinsatzwagen in eine Gruppe von Demonstranten. Dies war auf einem Video eines Augenzeugen zu sehen. "Sie hätten sie umbringen können, und wir wissen nicht, wie viele sie verletzt haben", schrieb die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez auf Twitter. In New York zogen Demonstranten zudem vor den Trump Tower - das Domizil Trumps, bevor er Staatschef wurde.
In Los Angeles kam es im Stadtteil Fairfax zu Auseinandersetzungen, als Demonstranten versuchten in das örtliche Studio des Fernsehsenders CBS vorzudringen. Sicherheitskräfte hätten die Menge zurückgedrängt, berichtete die "Los Angeles Times". Ebenfalls in Fairfax kam es Medienberichten zufolge zu Plünderungen. Der Bürgermeister von Los Angeles, Eric Garcetti, sagte vor Journalisten: "Das sind keine Proteste mehr. Das ist Vandalismus, das ist Zerstörung."
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Los Angeles steht in Flammen
Präsident Trump machte linke "Plünderer und Anarchisten" für die Gewalt verantwortlich. Er werde nicht zulassen, "dass eine kleine Gruppe von Kriminellen und Vandalen unsere Städte zerstört und unsere Gemeinden in Schutt und Asche legt", sagte er. "Meine Regierung wird die Mob-Gewalt stoppen. Und wir werden sie kalt stoppen". Justizminister Bill Barr sagte unterdessen in einer Fernsehansprache, "gewalttätige radikale Elemente" hätten die zunächst friedlichen Proteste nach Floyds Tod ausgenutzt. Es scheine so, dass die Gewalt vielerorts "von anarchistischen und linksextremistischen Gruppen geplant, organisiert und angetrieben" werde. Beweise dafür legte auch er nicht vor.
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Und der Gouverneur von Minnesota, in dem Minneapolis liegt, Tim Walz, erklärte im Gegensatz dazu unter Hinweis auf Ermittlungen, die Gewalt werde von rivalisierenden Drogengangs, weißen Rassisten und Anarchisten angeheizt. Walz verkündete die Mobilisierung der gesamten 13.000 Mitglieder starken Nationalgarde seines Staates, um gegen Randalierer vorzugehen. Auch Einheiten der Militärpolizei wurden in Alarmbereitschaft versetzt, um gegebenenfalls in Minneapolis eingreifen zu können. Alle großen Einfallsstraßen nach Minneapolis waren am Samstagabend geschlossen, Militärhubschrauber flogen über der Stadt.
Der designierte Herausforderer Trumps der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl im November, Ex-Vizepräsident Joe Biden, erklärte, die vergangenen Tage hätten gezeigt, dass die Nation "wütend" sei über Ungerechtigkeit. Es sei eine typisch amerikanische Reaktion, gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. Sinnlose Zerstörung und Gewalt sei aber keine akzeptable Reaktion.
Unfassbares Video: Nationalgarde schießt auf Zivilisten auf eigenem Grundstück
Auf der Online-Plattform "Reddit" sorgt derzeit ein unfassbares Video für einen, durch das gesamte Netz hallenden, Aufschrei. In einem kurzen Clip ist zu sehen, wie die mit Gummigeschossen bewaffnete Nationalgarde die "Suburbs" in Minneapolis patroulliert. Als die dutzenden Gardisten die Urheberin des Videos auf ihrer Veranda entdeckten, wurden sie aufgefordert in ihr Haus zurückzukehren. Wenig Sekunden später eröffneten sie kurzerhand das Feuer – den Bewohnern blieb keine Zeit zu reagieren. "Bitte lasst dieses Video viral gehen. Ich flehe euch an. Polizei und Nationalgarde patroullieren die Nachbarschaft und schießen auf Zivilisten, die sich auf ihrem eigenen Grundstück befinden. Lasst es Amerika sehen, ich flehe euch an", prangert über dem auf Reddit geteilten Clip. Aufgrund der, vor allem in Minneapolis herrschenden, chaotischen Zuständen gab es zunächst keine Informationen darüber, ob der Urheber des Videos getroffen bzw. verletzt wurde.
Polizisten feuerten mit Gummigeschossen auf Reuters-Journalisten
Bei den Protesten gegen Rassismus in Minneapolis sind am Samstagabend zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters durch Gummigeschoße der Polizei verletzt worden. Der Vorfall ereignet sich, als die Polizei kurz nach Inkrafttreten der Ausgangssperre um 20.00 Uhr gegen rund 500 Demonstranten mit Gummigeschoßen und Tränengas vorrückte.
Aufnahmen des Reuters-Kameramannes Julio-Cesar Chavez zeigen, wie ein Polizist direkt auf ihn zielt. "Ein Polizist, den ich gerade filme, dreht sich um, zielt mit seinem Gummigeschoß-Gewehr direkt auf mich", berichtete Chavez. Minuten später wurden Chavez und der Reuters-Sicherheitsberater Rodney Seward von Gummigeschoßen getroffen, als sie bei einer Tankstelle in Deckung gehen wollen.
Auf der Filmaufnahme des Kameramannes, die während der Flucht der beiden weiterlief, sind mehrere Schüsse zu hören. Seward schreit auf: "Ein Gummigeschoß hat mich im Gesicht getroffen." In einer späteren Aufnahme ist Seward zu sehen, wie er von einem Sanitäter an Ort und Stelle behandelt wird. Unter seinem linken Auge klafft eine tiefe Wunde. Chavez wurde im Genick getroffen. Beide Männer haben Verletzungen an den Armen.
Die Reuters-Mitarbeiter waren klar als Pressevertreter zu erkennen. Chavez trug eine Kamera und seinen Presseausweis um den Hals. Seward hatte eine schusssichere Weste an mit der Aufschrift Presse.
Ein Sprecher der Polizeidirektion von Minneapolis, der zu dem Vorfall befragt wurde, verlangte eine Kopie der TV-Aufnahme und machte ansonsten zunächst keine Angaben. Das Ereignis ist der bisher letzte Angriff auf Journalisten, die über die Proteste in den USA seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis berichten. Am Freitag wurde ein schwarzer CNN-Journalist vor laufender Kamera festgenommen, als er über die Kundgebungen in der Stadt berichtete. In Aufnahmen aus Louisville (Kentucky) ist zu sehen, wie eine TV-Reporterin aufschreit: "Auf mich wird geschossen!" Sie wird vor laufender Kamera getroffen, vermutlich von einem Pfefferspraygeschoß. Die Polizei in Louisville bat später um Entschuldigung.
Das Reporter-Komitee für Pressefreiheit hat der "New York Times" zufolge rund zehn Berichte über ähnliche Vorfälle während Demonstrationen erhalten, sie reichen von Angriffen bis Bedrohungen.