Nach 10 Jahren

Dänemark: 1.EU-Land schließt Grenzen

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Dänemark führt Kontrollen ein. Heute EU-Gipfel zu Grenz-Streit.

Heute beraten die 27 EU-Innenminister ein brisantes Thema in Brüssel: Frankreich und Italien wollen das "Schengensystem reformieren" und notfalls auch wieder Grenzkontrollen innerhalb des EU-Raums einführen. Für Neo-VP-Innen­ministerin Johanna Mikl-Leitner ist diese Sitzung ihr erster Auftritt in der EU.

Die schwarze Ministerin kann sich derzeit nur punktuell wieder eingeführte Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraumes vorstellen.

Dänemark schließt seine Grenze zu Deutschland
Dänemark hat nun als erstes EU-Land im Schengen-Raum reagiert: Die Dänen führen wieder "permanente Grenzkontrollen" an der Grenze zu Deutschland ein. Zöllner sollen künftig Ein- und Ausreisende kon­trollieren. Grund sei die "zunehmende grenzüberschreitende Kriminalität", erklärte Finanzminister Hjort Frederiksen. Die EU-Kommission will nun prüfen, ob die Wiedereinführung legal sei.

Beim heutigen EU-Gipfel ist ein Streit um die Grenzkontrollen vorprogrammiert. Die EU-Rechtsparteien gemeinsam mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache planen bereits ein EU-weites Volksbegehren, das sich für die Wiedererrichtung der abgeschafften Schengengrenze einsetzt.

Mikl-Leitner gegen generelle Grenzkontrollen
: "Gefährliche Sache"
In der Diskussion um die Schengen-Reform hat sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) dafür ausgesprochen über "anlassbezogene Grenzkontrollen" nachzudenken. Zur Entscheidung der dänischen Regierung für neue Grenzkontrollen sagte sie am Donnerstag vor einem Sondertreffen der EU-Innenminister in Brüssel: "Permanente Grenzkontrolle ist eine ganz gefährliche Sache, weil es letztendlich massiv die Reisefreiheit beeinträchtigt. Ganz wichtig ist, dass hier die Reisefreiheit erhalten bleibt."

Anlassbezogene Kontrollen für Mikl-Leitner denkbar
"Faktum ist aber, dass wir nachdenken sollen über anlassbezogene Grenzkontrollen, ein Instrumentarium , das wir aus der Vergangenheit kennen und mittlerweile auch eingesetzt haben", sagte Mikl-Leitner. Es sei notwendig, darüber jetzt zu diskutieren. Es gebe Länder, die zu wenig machten und andere Länder, die zu viel machten. Mikl-Leitner: "Ein ganz klares Nein zum generellen Hochziehen von Grenzen, aber selbstverständlich ist es legitim, wenn ein Land sagt: Anlassbezogene Grenzkontrollen auf Zeit, das muss jedem Staat überlassen sein."

Reisefreiheit nicht einschränken
Die Reisefreiheit dürfe nicht in Frage gestellt werden, betonte die Innenministerin. "Vielmehr muss man sich fragen: Tun auch die Mitgliedstaaten genug, um mit den Flüchtlingsströmen zurechtzukommen? Ich bin fest davon überzeugt, dass hier Italien aus eigener Kraft noch sehr viele Maßnahmen setzen könnte."

Mikl-Leitner: Keine Libyen-Flüchtlinge nach Österreich
Mikl-Leitner erteilte der Aufforderung der EU-Kommission zur Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Bürgerkrieg in Libyen, die sich derzeit auf Malta befinden, eine klare Absage. "Diese Frage stellt sich nicht, weil wir gerade, was Asylverfahren beziehungsweise was Asylbewerber betrifft, sehr gut ausgelastet sind, beziehungsweise hier eine hohe Belastung haben", betonte sie. Am Nachmittag findet dazu eine Resettlement-Konferenz in Brüssel statt. Bisher haben nur Schweden und Deutschland Zusagen zur Aufnahme von größeren Flüchtlingsgruppen gegeben. Deutschland will hundert Personen, Schweden 200 aufnehmen.

Die EU-Kommission fordert von Dänemark nun eine Erklärung. Seite 2>>

EU verlangt von Dänemark Erklärung über Kontrollen

Die EU-Kommission fordert wegen der geplanten Wiedereinführung "permanenter Grenzkontrollen" Dänemarks an der Grenze mit Deutschland eine rasche Erklärung aus Kopenhagen, um die Schritte der Regierung bewerten zu können. "Es muss klar sein, dass die Kommission jeglichen Versuch, den EU-Vertrag zurückzudrehen, weder akzeptieren kann noch akzeptieren will", sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwochabend. Das gelte für den freien Transport von Waren ebenso wie für die Reisefreiheit von Menschen. Sobald eine Erklärung vorliegt, wolle sich die Kommission genauer zur Frage äußern, ob sie die Pläne für legal hält.

EU-Sozialistenchef Schulz: "Reiner Populismus"
Der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, sprach von "reinem Populismus" und "Scheinpolitik", Schulz sagte dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel: "Ein mögliches Flüchtlingsproblem in Nordafrika lässt sich mit Sicherheit nicht an der deutsch-dänischen Grenze lösen."

Liberale wettern gegen dänische Kontrollen

Der FDP-Innenexperte im Europaparlament, Alexander Alvaro, sagte der Zeitung, dass sich mit der Wiedereinführung der Kontrollen auch die Frage stelle, ob Dänemark überhaupt noch Mitglied im Schengen-Raum bleiben könne. "Wenn sich Dänemarks Regierung von den Rechtspopulisten so unter Druck setzen lässt, dass sie die Axt an eine der europäischen Grundfreiheiten legt, dann stellt sich auch die Gretchenfrage der Mitgliedschaft Kopenhagens im Schengen-Raum", sagte Alvaro.

Dänische Minderheit in Deutschland verärgert
In Deutschland wurde die geplante Wiedereinführung der Grenzkontrollen unter anderem von der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, SSW, und von Europaabgeordneten kritisiert. Vertreter der Wirtschaft im nördlichen Schleswig-Holstein bezeichneten die dänischen Pläne als "Rückschritt", erwarteten aber keine spürbaren Beeinträchtigungen im Handel.

Deutschland ist für "temporäre" Kontrollen an den Grenzen. Seite 3>>

Deutschland fordert "temporäre" Grenzkontrollen

Angesichts tausender Flüchtlinge aus Nordafrika hat der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) seine Forderung nach erleichterten Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums bekräftigt. Unmittelbar vor dem heutigen Treffen der EU-Innenminister in Brüssel sagte Friedrich der Zeitung Die Welt: "Es sollte künftig möglich sein, auf außergewöhnlichen Migrationsdruck flexibel reagieren zu können."

Deutschlands Innenminister für temporäre Kontrollen
Laut Friedrich sollten "temporäre Grenzkontrollen der Lage angepasst und mit Augenmaß an den Schengen-Binnengrenzen möglich" sein. Dies würde letztlich auch zu einer Stärkung der Freizügigkeit in Europa führen. Bisher ist die zeitweilige Einführung von Grenzkontrollen nur in sehr eng definierten Ausnahmesituationen möglich.

Innenminister Friedrich: "Keine Verteilung der Flüchtlinge auf Europa"
Der Minister wandte sich zugleich gegen eine EU-weite Verteilung von Flüchtlingen: "Es muss klar sein, dass die Mitgliedstaaten selbst entscheiden, ob und wie viele Flüchtlinge sie aus anderen Mitgliedstaaten aufnehmen. Wir sind im Einzelfall offen für eine freiwillige personelle Lastenteilung." Voraussetzung sei aber auf jeden Fall, dass ein EU-Mitgliedsland wirklich unverhältnismäßig belastet sei und es geltendes EU-Recht anwende.

Justizministerin kritisiert permanente Kontrollen in Dänemark
Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an der deutsch-dänischen Grenze scharf kritisiert. "Ich halte das für eine problematische Entwicklung", sagte Leutheusser-Schnarrenberger am Donnerstag im Deutschlandfunk. Die Reisefreiheit sei eine der Errungenschaften der Europäischen Union und ein "unglaublicher Wert" für die Bürger. Es müsse auch noch geprüft werden, ob die permanenten Grenzkontrollen gegen EU-Recht verstießen. "Wenn das der Fall wäre, würde das ja Konsequenzen nach sich ziehen."

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