"Machbares" Datum

Hahn: Nächste EU-Erweiterung 2025?

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Serbien und Montenegro 'am weitesten entwickelt' - Verhandlungen müssten 2023 fertig sein.

Für EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn ist die nächste EU-Erweiterung bis 2025 machbar. Serbien und Montenegro seien "zum heutigen Zeitpunkt die am weitesten entwickelten" Kandidatenländer. Ob sie "tatsächlich dann die ersten sind, kann zum heutigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit gesagt werden. Vieles spricht dafür", sagte Hahn im Interview mit der APA in Brüssel.
 
Am 6. Februar will Hahn die neue Erweiterungsstrategie der EU-Kommission vorlegen. Unmittelbar danach will er Serbien und Montenegro besuchen. Der EU-Kommissar geht davon aus, dass mit beiden Ländern bis zum Ende der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft im Juni weitere Verhandlungskapitel eröffnet werden.
 

"Machbar"

Dabei machte Hahn klar, dass er das Zieldatum 2025 "nicht erfunden" habe. Der Vorteil sei, dass ein konkretes Ziel eine neue Dynamik auslösen könne. "Es ist ein indikatives Datum, ein Datum, das machbar ist, wenn die Beteiligten Gas geben." Die Strategie solle verdeutlichen, was die Beitrittsländer bis dahin zu erfüllen haben. "Wenn jemand 2025 beitreten will, dann müssen wir mit den Verhandlungen 2023 fertig sein." Ein Jahr wird für die Ratifizierung des EU-Beitrittsvertrags veranschlagt.
 
Zu den "Hausaufgaben" der EU-Kandidatenländer zählt Hahn zuerst die Frage, "wie Rechtsstaatlichkeit gelebt wird". Als zweite Bedingung betonte er: "Wir werden sicher nicht irgendein Land aufnehmen, das noch mit Nachbarn irgendwelche offenen Fragen hat." Grenzkonflikte wie unter den beiden EU-Mitgliedstaaten Slowenien und Kroatien soll es innerhalb der Union künftig nicht mehr geben. "Natürlich muss Serbien die Situation mit dem Kosovo klären", sagte Hahn. Aber auch zwischen Serbien und Kroatien, Montenegro und Kosovo, Albanien und Griechenland gebe es noch offene Fragen.
 

Europäische Werte

Für Hahn ist auch wichtig, dass europäische Werte von den Beitrittsländern gelebt werden. So hätten einige Balkanländer während der Migrationskrise 2015 erhebliche Solidarität bewiesen. "Europa lässt sich nicht reduzieren auf einen Bankautomaten." Die von ihm initiierte Schaffung einer regionalen Wirtschaftsgemeinschaft der Westbalkanländer wiederum sei "nicht ein Ablenkungsmanöver von der Beitrittsperspektive, sondern ein erheblicher Teilaspekt eines künftigen EU-Binnenmarktes".
 
Die Ermordung des kosovarischen Serbenführers Oliver Ivanovic zeigt für den EU-Kommissar "insgesamt die Fragilität in der Region. Ich hoffe, dass dies zu einem nachhaltigen Weckruf führt, dass die Verantwortlichen sehen, wie fragil die Situation noch ist". Doch dürfe die EU die Balkanstaaten deshalb nicht ablehnen. "Wir haben in den 90er-Jahren gesehen, welche Flüchtlingswellen ein Konflikt in der Region auslösen kann." Auch die Abwanderung junger Menschen mangels wirtschaftlicher Perspektiven könne nicht das Ziel Europas sein.
 
Vom Westbalkan-Gipfel am 17. Mai in Sofia erwartet der EU-Kommissar, dass die europäische Perspektive der Länder dieser Region gemeinsam mit den Auflagen der EU bestätigt werde. Auch die EU müsse noch Informations- und Aufklärungsarbeit leisten, "denn es gibt nicht eine richtige Euphorie unter den Bürgern in Hinblick auf die Erweiterung". Auch Österreich könne während seiner EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr Akzente setzen, denn es habe am Westbalkan, "ein Standing, einen Namen und auch Akzeptanz".
 

Alternativen zu EU-Beitritt der Türkei

In Hinblick auf die Türkei kündigte Hahn einen kritischen EU-Fortschrittsbericht der EU-Kommission für April an, "wenn sich nichts Gravierendes in den nächsten Wochen ändert". Viele tausende Menschen in der Türkei seien inhaftiert oder in Untersuchungshaft und warteten seit Monaten auf eine Anklage. Verfassungswidrigkeiten würden von Strafgerichten ignoriert. "Dem wird seit über einem Jahr Rechnung getragen, indem die Verhandlungen auf Eis liegen", sagte Hahn. Eine formelle Suspendierung der Beitrittsgespräche strebt der EU-Kommissar aber nicht an. "Wir wollen die Tür nicht zu machen, weil dort Millionen Menschen leben, die sich durchaus die Unterstützung von Europa erwarten."
 
Hahn betonte, er habe selbst schon dazu aufgefordert, dass man Alternativen zu einem EU-Beitritt der Türkei überlegen müsse. Die überwiegende Zahl der EU-Staaten sei aber für eine Fortsetzung der jetzigen Situation. Man werde sehen, ob der französische Präsident Emmanuel Macron mit seinen Türkei-kritischen Überlegungen eine neue Dynamik schaffe. Hahn plädierte für eine pragmatische Herangehensweise. Am Ende des Tages zählten eine Verbesserung von einzelnen Schicksalen und der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei, sagte er. Dabei bestätigte Hahn Berichte, wonach der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und EU-Spitzenpolitiker eine Annäherung bei einem baldigen Treffen suchen. "Es gibt diese Überlegungen, aber es gibt kein bestimmtes Datum."
 
Hahn trifft am Freitagvormittag in Wien mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen zusammen.
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