Ein historischer Rechtsruck überschattet den Sieg der Konservativen von Ministerpräsident Luís Montenegro bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Portugal.
Die Rechtspopulisten von Chega lagen nach Auszählung aller inländischer Stimmen nur knapp hinter der Sozialistischen Partei (PS), die vor etwas mehr als einem Jahr das südwesteuropäische EU-Land noch mit absoluter Mehrheit regiert hatte.
"Wir haben das seit 50 Jahren herrschende Zweiparteiensystem getötet", jubelte Chega-Chef André Ventura vor TV-Kameras. Das Freudengeschrei von Hunderten Anhängern ließ die Aussagen des 42 Jahre alten Rechtsprofessors nur schwer verstehen. Die Partei, die erst vor einem Jahr einen Zuwachs von sieben (2022) auf 18 Prozent gefeiert hatte, kletterte nun auf 22,6 Prozent, wie die Wahlbehörde in Lissabon mitteilte.
32 Prozent für Aliança Democrática
Nach Auszählung der inländischen Stimmen kam Montenegros Bündnis Aliança Democrática (AD/Demokratische Allianz/AD) auf mehr als 32 Prozent der Stimmen. Das sind mehr als drei Prozentpunkte mehr als bei der letzten Abstimmung von März vorigen Jahres und knapp zehn Prozentpunkte mehr als PS (23,4 Prozent) und Chega (22,6 Prozent) jeweils auf sich vereinen. Die Auszählung der im Ausland abgegebenen Stimmen dauerte noch an, mit dem Ergebnis wird erst in den kommenden Tagen gerechnet.
Doch die absolute Mehrheit von 116 von 230 Parlamentssitzen verpasst die AD erneut deutlich. Eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten hatte Montenegro zuletzt weiterhin ausgeschlossen, allerdings gilt auch eine Koalition zwischen den beiden Traditionsparteien nahe der Mitte als völlig ausgeschlossen. Dem beliebten Urlaubsland winkt deshalb wieder eine instabile Minderheitsregierung - auch Montenegro selbst ging in einem Statement von einer solchen Regierungsform als wahrscheinlichste Variante aus.
Dritte vorgezogene Neuwahl seit 2022
Es war bereits die dritte vorgezogene Wahl seit 2022. Diese neue Abstimmung war nötig geworden, weil Montenegro im März ein von ihm selbst gestelltes Misstrauensvotum deutlich verloren hatte. Der 52 Jahre alte Anwalt war von der Opposition aufgrund undurchsichtiger Geschäfte eines Familienunternehmens in Bedrängnis gebracht worden.
Seit der Abstimmungspleite von Montenegro in der Lissabonner "Assembleia da República" hat Portugal nur noch eine geschäftsführende Regierung mit begrenzten Befugnissen. Mehrere wichtige Vorhaben liegen deshalb bis zur Bildung einer neuen Regierung auf Eis. Darunter ist die Privatisierung der Fluggesellschaft TAP, an der unter anderem die Lufthansa interessiert ist.
Neue Regierung braucht Zeit
Der AD-Sieg verspricht zwar Kontinuität. Doch die Gespräche zur Bildung der neuen Regierung dürften - wie 2024 - wieder einige Zeit in Anspruch nehmen. Damit Montenegro von Präsident Marcelo Rebelo de Sousa erneut zum Kandidaten auf den Posten des Regierungschefs ernannt wird, müssen mehrere Parteien, darunter auch die Sozialisten, zusichern, dass sie bei der Abstimmung im Parlament nicht gegen Montenegro votieren werden. Als einzig echter Koalitionspartner kommt für die AD wohl nur die liberale Iniciativa Liberal infrage, die - jedoch mit weitem Abstand - auf Platz vier lag.
Vorwürfe drehten sich um Beratungsfirma
Bei den Vorwürfen gegen Montenegro geht es um die Firma Spinumviva, die von dem gelernten Juristen 2021 gegründete wurde. Das Beratungsunternehmen soll von der Position des Ministerpräsidenten profitiert haben, um Verträge mit Privatfirmen zu unterzeichnen. Die Opposition sprach von Interessenkonflikten.
Auch wenn dem Wähler die Affäre offenbar weitgehend egal war und im Wahlkampf vor allem Themen wie Einwanderung und Kriminalität im Mittelpunkt standen: Ausgestanden ist diese Affäre für Montenegro wohl noch lange nicht. Es ist davon auszugehen, dass die linksgerichtete Opposition weiterhin auf eine parlamentarische Untersuchungskommission bestehen wird. Nach einer anonymen Anzeige beschäftigt sich auch die Staatsanwaltschaft mit dem Fall.