Bayernwahl mit Sprengpotenzial

Hochspannung für Merkel und Koalition

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Das Bayern-Beben droht am Wochenende, Doch noch entscheidender für deutsche Bundespolitik dürfte aber Wahl in Hessen werden. 

Der CSU droht am Sonntag ein Desaster. Gibt es danach ein "Gemetzel", dem auch die Kanzlerin zum Opfer fallen könnte? Spätestens nach der Hessen-Wahl kommt für die CDU-Vorsitzende die Abrechnung.

Für Angela Merkel und ihre vierte Regierung ist der Wahlsonntag in Bayern der Einstieg in einen heißen Herbst, wie ihn die deutsche Kanzlerin noch nicht erlebt hat. Stürzen die Wähler die CSU wie von vielen Umfragen vorhergesagt ins Desaster, dürften die Auswirkungen nicht nur für die Christsozialen verheerend sein.

In der Union fürchten sie, eine taumelnde CSU könnte nach zwei mit Ach und Krach überstandenen Regierungskrisen erneut auch die Statik der Großen Koalition in Berlin erschüttern. Offen ist, ob ein stürzender CSU-Chef Horst Seehofer sogar seine Dauerkontrahentin Merkel mitreißen könnte. Und unklar ist auch, wie lange es in der SPD um Parteichefin Andrea Nahles ruhig bleibt, falls die Sozialdemokraten in Bayern tatsächlich ein Ergebnis um die zehn Prozent wegstecken müssen.

Es könnte aber auch ganz anders kommen - mit einer Gnadenfrist für alle Seiten. Denn keiner weiß: Wie stimmen vor allem die unentschlossenen Wähler am Sonntag tatsächlich ab? "Die CSU hat in den letzten Wochen alles in die Waagschale geworfen. Ich erkenne keine Lücke im Wahlkampf, wir haben alles Menschenmögliche getan", sagt Seehofer am Freitag beim CSU-Wahlkampfabschluss in München.

So sehr er auch bemüht ist, ein gutes Verhältnis mit Merkel zu betonen, die Bilder sprechen eine andere Sprache. Denn anders als im Bundestagswahlkampf 2017 steht neben ihm nicht die deutsche Kanzlerin, sondern Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Auch Ministerpräsident Markus Söder ist bemüht, die Bundespolitik beim Wahlkampffinale außen vor zu halten. "Am Sonntag ist eine Bayernwahl, keine Berlinwahl", sagt er. Die fünf oder zehn Sekunden der Wahlentscheidung würden fünf Jahre des Landes prägen. Merkel selbst gibt sich am Freitag gewohnt zurückhaltend: Sie wünsche sich natürlich ein gutes Ergebnis für die CSU, sagt die Kanzlerin ausweichend auf die Frage, ob sie Konsequenzen aus Bayern für die Stabilität der Großen Koalition in Berlin befürchte.

Und fügt trocken hinzu: "Ich weiß, dass wir in nicht ganz einfachen Zeiten leben. Und ansonsten warte ich auf das Ergebnis."

In der Bundes-CDU heißt es seit Wochen sowieso, viel wichtiger als der Wahlausgang in Bayern sei es, ob CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier in Hessen am 28. Oktober die Staatskanzlei verteidigen kann. Für diesen Fall gilt es als nicht unwahrscheinlich, dass Merkel wie angestrebt auf dem CDU-Wahlparteitag Anfang Dezember in Hamburg tatsächlich noch einmal zur Vorsitzenden wiedergewählt werden könnte. Kommt es anders und Bouffier würde aus der Regierung gefegt, wird in der CDU nichts ausgeschlossen - auch ein Rückzug der Kanzlerin nicht.

CDU-Experten halten ein CSU-Ergebnis von 31 Prozent genauso für möglich wie eines von 38 oder 39 Prozent. Als magisch gilt auch in der CSU die 35-Prozent-Marke - stürzt die Partei nicht weiter ab, könnten sich Söder und Seehofer womöglich beide halten, heißt es.

Eine Revolte in der CSU werde am Montag nach der Wahl erstmal ausbleiben, hoffen sie inständig in der CDU. Denn ein "Gemetzel" mit Schuldzuweisungen zwischen Söder und Seehofer und von München Richtung Berlin würde es den CDU-Wahlkämpfern in Hessen zusätzlich schwer machen. Nimmt man Seehofers Worte als Maßstab, wird sich nach der Wahl in Bayern auch in Berlin einiges ändern.

Denn Seehofer ist ja nicht nur der bis Ende 2019 gewählte CSU-Chef, sondern auch Innenminister im Bund. Und natürlich hat Seehofer längst gewittert, dass es für ihn schon am Sonntagabend eng werden könnte. Denkbar ist aber auch, dass sich die Kritiker erst am Montag im Parteivorstand zu Wort melden.

Kürzlich erklärte der CSU-Chef quasi als Kampfansage, er habe seine Mission in Berlin noch nicht beendet und verschwende keinen Gedanken daran, sein Amt aufzugeben. Doch sollte die CSU bei Werten um die 33 Prozent landen, könnte es das für den 69-Jährigen gewesen sein. Würde die Partei unter 30 Prozent fallen oder eine Koalition gegen sie möglich sein, dürften auch Söders Tage gezählt sein.

Auch wenn personelle Konsequenzen vorerst ausbleiben, wird die in früheren Jahren mit einer absoluten Mehrheit kraftstrotzende - und in Berlin auch so auftretende - CSU künftig kleinere Brötchen backen müssen. Für die Zukunft der Großen Koalition gibt es deshalb gleich mehrere Lesarten: Die einen sagen, die Regierungsbeteiligung müsse unter allen Umständen beibehalten werden, wolle man einen Absturz zur Regionalpartei verhindern.

Andere meinen dagegen, um zu alter Stärke zurückzukehren, müsse sich die Partei auf ihre eigene Rolle in Bayern konzentrieren. Dies wäre wohl das Ende der Großen Koalition. Bei der SPD ahnt man schon, was kommt. Daher gibt es auch keine Wahlparty im Willy-Brandt-Haus, wie sonst üblich. Die würde mehrere tausend Euro kosten, wegen der schlechten Wahlergebnisse muss die Partei sparen. "Gut regieren", lautet das Mantra von SPD-Chefin Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz: Dann vertrauen die Menschen wieder der Partei und wählen sie.

Vom Gute-Kita-Gesetz über Rentenverbesserungen und eine Verschärfung der Mietpreisbremse wird der Koalitionsvertrag abgearbeitet, doch was bringt es, wird in der Partei gefragt. 15 Prozent bekommt die SPD im ARD-Deutschlandtrend, ein Rekordtief, Platz vier hinter Union (26), Grünen (17) und AfD (16). Ein SPD-Stratege sorgt sich, "dass die Partei einfach langsam implodiert".

Der Negativtrend wird sich in Bayern fortsetzen, die Frage ist nur: wie schlimm. Und was passiert, wenn das Ergebnis einstellig wird? Nahles versucht, Themen zu setzen, Scholz auch, etwa die langfristige Sicherung der Renten.

Für eine Revolte fehlen bisher auch die Revoluzzer, am lautstärksten ist noch Juso-Chef Kevin Kühnert. Eine einflussreiche Rolle werden in den nächsten Wochen wohl Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig spielen. Der Druck könnte wachsen, die Koalition zu verlassen, um sich bei einer vorgezogenen Neuwahl in der Opposition neu aufzustellen. Nicht wenige fordern eine Rückkehr zu einem klar linken Kurs, statt Mehrheitsbeschaffer Merkels zu sein.

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