Einwohnerzahl auf Rekordtief

Horrende Preise: Venedig laufen die Einheimischen davon

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Das Touristenparadies Venedig ist für seine Einwohner offenbar die Hölle. Vor allem die Jugend scheint es sattzuhaben horrende Preise für Grundnahrungsmittel zu zahlen, den Touristenstrom zu erdulden, kein Auto zu besitzen und Unsummen für eine kleine Wohnung auszugeben.

Die Folge ist, dass immer mehr Venezianer wegziehen. Im Juli wird die Zahl unter die 50.000-Einwohner-Schwelle sinken, ein Rekordtief in der Geschichte der Stadt.

Sterberate dreimal höher als Geburtenrate

Um vor dem Aussterben der Lagunenstadt zu warnen, wurden an den Geländen der Brücken in der Altstadt Plakate mit der Zahl 49.999 aufgehängt, als Hinweis auf den niedrigen Bevölkerungsstand in Venedig, der sich im Verlauf der vergangenen 50 Jahre dramatisch reduziert hat. Ein Viertel der Einwohner ist älter als 60 Jahre und die Sterberate ist beinahe dreimal so hoch wie die der Geburten. Die Initiative der provokativen Plakate ist auf die Protestbewegung "Venessia.com" zurückzuführen, die seit Jahren gegen den Einwohnerschwund in Venedig und den Massentourismus kämpft, berichteten lokale Medien.

Seit Kriegsende mehr als 100.000 weggezogen

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Zahl der Bewohner Venedigs von 175.000 auf ein Rekordtief von 50.000 Menschen gesunken, wie aus Angaben der Gemeinde hervorgeht. Noch im Jahr 2000 zählte die Lagunenstadt 66.386 Einwohner.

Die norditalienische Stadt der Kunst-Biennale und des Filmfestivals am Lido setzt seit einiger Zeit verstärkt auf neue Megaprojekte in der Kultur und Infrastruktur, doch der Einwohnerschwund ist kaum zu bremsen. Viele Venezianer flüchten aufs Festland, wo das Leben einfacher und billiger ist. Die steigenden Preise machen den Bewohnern immer mehr zu schaffen. Der tägliche Einkauf wird in der beinahe autolosen Stadt zu einer Herausforderung und ist aufgrund des Transports mit einer Menge an zusätzlichen Kosten verbunden. Auch das Zusammenleben zwischen den Bewohnern Venedigs und den Millionen von Touristen ist oft schwierig.

"Die Entvölkerung ist eine Tragödie"

"Die Entvölkerung des Stadtkerns ist eine Tragödie, doch niemand hat wirklich etwas unternommen, um sie zu bremsen", betonte das oppositionelle Stadtratmitglied Marco Gasparinetti im Gespräch mit der Tageszeitung "La Stampa" (Donnerstagsausgabe). Man müsse das Leben in der Stadt der 175 Kanäle und 400 Brücken für Einheimische annehmbarer und bezahlbarer machen, unter anderem mit einer effizienten Wohnungspolitik.

"Venessia.com" fordert unter anderem Einschränkungen bei der Zahl der Ferienwohnungen und Bed-and-Breakfast-Standorte in der Lagune sowie Sozialwohnungen, um Jugendlichen eine Zukunft in der Stadt zu sichern. Außerdem sollten mehr Arbeitsplätze außerhalb der Tourismusbranche geschaffen werden. Venedig dürfe "nicht nur ein Disneyland für Touristen" sein.

Die Gemeinde befürchtet nicht, dass Venedig eine Zukunft als Museumsstadt droht. Wenn man die Einwohner der Insel berücksichtige, zähle die Lagune circa 77.000 Einwohner. Hinzu gebe es 25.000 Studenten und 35.000 Pendler, die täglich in Venedig seien, wird betont.

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