Massive Unruhen

Iran sperrt 'bis auf Weiteres' Internetzugang

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Zugang gibt es nur zu nationalen Webseiten wie etwa Banken, per Internet buchbaren Taxen oder heimischen Medien.

Die angesichts landesweiter Unruhen im Iran seit Samstag geltende Internetsperre soll nach offiziellen Angaben für unbestimmte Zeit fortgesetzt werden. Die ursprünglich zunächst für 24 Stunden angeordnete Unterbrechung werde "bis auf weiteres" bestehen bleiben, teilte das Telekommunikationsministerium am Montag in Teheran mit.

Zugang gebe es nur zu nationalen Webseiten wie etwa Banken, per Internet buchbaren Taxen oder heimischen Medien. Diese stehen jedoch unter strenger staatlicher Kontrolle.

Iran Sprit-Proteste Isfahan
© APA/AFP
× Iran Sprit-Proteste Isfahan


Telekommunikationsminister Muhammed-Jwad Asari-Jahromi bedauerte die Internetsperre. "Ich bin über den Unmut der Menschen informiert und kenne auch die daraus resultierenden Probleme", sagte der Minister. Die Sperrung habe dem Volk sowie dem politischen System geschadet. Aus Solidarität mit den Menschen habe auch er seit der Sperre kein Internet mehr benutzt, sagte der 37 Jahre alte Minister der Nachrichtenagentur Isna zufolge.

Jahromi selbst kämpft seit seinem Amtsantritt im August 2017 gegen die Internet-Zensur im Iran und fordert vehement ein freies Internet im Land. Daher gehört er auch zu den wenigen iranischen Politikern, die besonders bei Jugendlichen beliebt sind.

Iran Sprit-Proteste Isfahan
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Benzinpreiserhöhung im Iran trifft bereits notleidende Bevölkerung

Brennende Tankstellen, verwüstete Bankfilialen und mehrere Tote bei landesweiten Protesten: dies sind die Auswirkungen der umstrittenen Entscheidung der iranischen Regierung, die Preise für Benzin drastisch zu erhöhen.

Zwar war der Schritt schon lange diskutiert worden, doch kommt er zu einer Zeit, da viele Iraner ohnehin schwer unter der Wirtschaftskrise leiden, die durch die neuerliche Verhängung der US-Sanktionen ausgelöst wurde. Entsprechend groß ist nun die Wut auf die Regierung.

Die Iraner konnten bisher unbegrenzt Benzin zum Preis von nur 10.000 Rial (0,07 Euro) pro Liter beziehen. Kaum irgendwo sonst auf der Welt war der Sprit so stark subventioniert. Schon lange war im Iran klar, dass dies nicht so bleiben konnte. Denn die Folge der niedrigen Preise war ein horrender Konsum. In Großstädten wie Teheran führte dies zu chronischen Staus und Smog, der zum ernsten Gesundheitsrisiko geworden ist.

Iran Sprit-Proteste Isfahan
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Zudem wird bis zu einem Fünftel der täglich ausgegebenen 90 Millionen Liter außer Landes geschmuggelt. Der Schmuggel hat noch weiter zugenommen, seitdem der iranische Rial vergangenes Jahr kollabiert ist. Grund für den Absturz der Währung waren die Finanz-und Handelssanktionen, die US-Präsident Donald Trump seit August 2018 im Zuge seiner Politik des "maximalen Drucks" gegen die Islamische Republik verhängt hat.
 

Massive Unruhen nach Spritpreiserhöhung

Um den Schmuggel einzudämmen, hatte Teheran schon 2007 Benzinkarten eingeführt. Damit sollte besser kontrolliert werden, wie viel Benzin die einzelnen Autofahrer verbrauchen. Doch wurden die Karten später wieder abgeschafft. Angesichts der Explosion des Schmuggels griff die Regierung im November 2018 erneut auf die Karten zurück. Schon damals wurde dies als erster Schritt zur Erhöhung der Benzinpreise gesehen.

Am Freitag verkündete die Budget- und Planungsorganisation dann, dass Autofahrer künftig für die ersten 60 Liter pro Monat 15.000 Rial (0,11 Euro) zahlen müssen. Für jeden weiteren Liter seien 30.000 Rial (0,22 Euro) fällig - also drei Mal mehr als bisher. Nach Beginn der Proteste stellte sich auch das geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei hinter die Maßnahme und verurteilte die Ausschreitungen als Taten von "Hooligans".
 

Land steckt in Rezession

Die Regierung versichert, dass alle zusätzlichen Einnahmen in Form von Subventionen an das Volk zurückgehen werden. Rouhani will damit zusätzliche Hilfen für 60 Millionen Bedürftige finanzieren. Diese Zusicherungen überzeugten die Menschen aber offensichtlich nicht, die seit Freitag in dutzenden Städten auf die Straße gingen. Sie fürchten eine weitere Zunahme der Inflation zu einer Zeit, da viele Iraner ohnehin kaum über die Runden kommen.

Wegen des Verfalls der Währung haben sich Importwaren extrem verteuert, die Inflation ist auf 40 Prozent gestiegen. Selbst Reiche können sich Auslandsreisen kaum noch leisten. Nachdem sich fast alle westlichen Firmen aus dem Iran zurückgezogen haben, steckt das Land in der Rezession. Nach einem Rückgang der Wirtschaft um 4,8 Prozent 2018 erwartet der Internationale Währungsfonds für heuer ein weiteres Minus von 9,5 Prozent.

Wegen des US-Ölembargos sind die Staatseinnahmen eingebrochen und das Haushaltsdefizit explodiert. Viele Ökonomen forderten daher schon lange eine Reform der Benzinsubventionen und der Direktzahlungen an Bedürftige, die unter Präsident Mahmoud Ahmadinejad massiv ausgeweitet worden waren. Zuletzt profitierten 78 der 83 Millionen Iraner davon. Künftig sollen nur noch die wirklich Bedürftigen die Hilfen erhalten.

Auch wenn viele Experten die Reformen als überfällig betrachten, stieß ihre Umsetzung auf Kritik. Eine Erhöhung der Benzinpreise sei eine schlechte Idee angesichts von Sanktionen, hoher Inflation und Arbeitslosigkeit, kritisierte der Reformpolitiker Mostafa Tajadeh. Und der konservative Abgeordnete Ahmad Tavakoli warf der Regierung vor, mit der Preiserhöhung "die Last ihrer Inkompetenz auf die Schultern des Volkes abzuwälzen".


 

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