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Irland: 66% für Ende des Abtreibungsverbots

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In einer Volksabstimmung wurde klar für die Abschaffung des Abtreibungsverbots gestimmt.

Das strenge Abtreibungsverbot in Irland fällt: in einem Referendum haben gut 66 Prozent der Iren für die Abschaffung des Verbots gestimmt. Die Beteiligung lag bei 64 Prozent. Premierminister Leo Varadkar sprach vom "Höhepunkt einer stillen Revolution" in dem lange Zeit streng katholischen Land. In Dublin brach bei der Verkündung des amtlichen Endergebnisses am Samstagabend lauter Jubel aus.

"Was wir heute erleben, ist der Höhepunkt einer stillen Revolution, die Irland in den vergangenen zehn bis 20 Jahren durchgemacht hat", sagte Premierminister Varadkar, der die Legalisierungsbefürworter unterstützt hatte, dem Sender RTE. "Die Leute haben gesagt, dass wir eine moderne Verfassung für ein modernes Land wollen und dass wir Frauen zutrauen, dass sie die richtige Entscheidung über ihre eigene Gesundheit treffen." Irland sei aus dem Schatten getreten und erwachsen geworden. Abtreibungen seien "von der Last der Schande" befreit worden.

Strenges Abtreibungsgesetz

Irland hatte bisher eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Laut dem achten Zusatzartikel zur Verfassung waren Schwangerschaftsabbrüche selbst bei Vergewaltigung, Inzest oder einer tödlichen Fehlbildung des Fötus verboten. Bei einer Abtreibung drohen Frauen bis zu 14 Jahre Haft.

Seit 2013 sind Abtreibungen in seltenen Fällen erlaubt, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Das Abtreibungsverbot führte dazu, dass jedes Jahr tausende Irinnen für Abtreibungen ins benachbarte Großbritannien reisten oder sich im Internet die "Pille danach" besorgten.

Lauter Jubel

Im Innenhof der Burg von Dublin hatten sich schon Stunden vor Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses hunderte Abtreibungsbefürworter versammelt. Sie brachen in lauten Jubel aus, als das Ergebnis endlich verkündet wurde, viele fielen sich in die Arme, sangen und feierten. Nur in einem der 40 Abstimmungsbezirke, Donegal, gab es eine Nein-Mehrheit. Die Stimmbeteiligung von 64 Prozent markierte einen historischen Höchstwert für eine Volksabstimmung in Irland.

"Wunderbar, wunderbar, heute ist einfach wunderbar", sagte Eileen Shields. Sie selbst sei von ihren Freundinnen geschnitten und von der Kirche ausgestoßen worden, als sie vor 46 Jahren als unverheiratete Jugendliche schwanger wurde: "Ich bin hier, weil ich 65 bin und Irland im Jahr 1972 kein guter Ort war, um 18 Jahre alt und schwanger und ganz allein zu sein."

Ein neues Abtreibungsgesetz soll nach Varadkars Worten bis Ende des Jahres verabschiedet werden. Vorgesehen ist, Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen straffrei zu stellen. Bei bestimmten Indikationen soll eine Abtreibung bis zur 24. Woche erlaubt sein.

Schwerer Schlag für Kirche

Das Ergebnis des Referendums bedeutet einen weiteren schweren Schlag für die katholische Kirche in Irland. Mehrere Skandale um Kindesmissbrauch hatten den Einfluss der in Irland einst übermächtigen Institution zuletzt schwinden lassen. Vor drei Jahren hatten die Iren mit 62 Prozent für die Einführung der Homo-Ehe gestimmt. Premierminister Varadkar ist der erste offen homosexuelle Regierungschef des Landes.

Befürworter des Rechts auf Abtreibung brachen in Jubel aus, als in den Auszählungszentren in der Hauptstadt Dublin die Zwischenergebnisse des Referendums verkündet wurden. Die 71-jährige Ailbhe Smyth von der Bewegung "Zusammen für ein Ja" sagte, die Volksabstimmung sei "ein großer Sieg" und das Zeichen für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, der noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre: "Wir haben endgültig mit der Vergangenheit gebrochen, was für viele Frauen wirklich schwer war."

Die Gegner der Vorlage bedauerten den Ausgang des Referendums, wollen nun aber auf eine möglichst restriktive Abtreibungsregelung drängen. Man werde Regierungschef Varadkar an sein Versprechen erinnern, trotz der Abschaffung des Verfassungsverbots eine restriktive gesetzliche Regelung zu schaffen, die Zahl der Abtreibungen möglichst gering halte, sagte die Wortführerin der "Nein"-Kampagne, Ruth Cullen. "Er gab sein Wort, jetzt muss er es halten", so Cullen laut "Irish Catholic". Viele Menschen hätten auf Basis der diesbezüglichen Versprechen des Taoiseach für die Aufhebung gestimmt. Die Gruppe bezeichnete das Votum als "Tragödie historischen Ausmaßes" und betonte: "Unrecht wird nicht deshalb zu Recht, nur weil eine Mehrheit es unterstützt", teilte die Gruppe mit.

Kluft zwischen Altersgruppen

Laut einer Nachwahlbefragung für die "Irish Times" stimmten 70 Prozent der Frauen und 65 Prozent der Männer für das Ende des Abtreibungsverbots. Auffällig war die Kluft zwischen den Altersgruppen: Während 60 Prozent der über 65-Jährigen gegen die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen war, lag bei den jungen Wählern die Zustimmung bei 87 Prozent. Viele Bewohner Dublins zeigten sich am Samstag froh über das Ergebnis. "Wir haben uns selbst aus den finsteren Zeiten befreit. Wir sind kein rückwärtsgewandtes Land mehr, wie die Kirche das wollte", sagte die 53-jährige Blumenverkäuferin Catherine Claffey.

In Österreich begrüßten SPÖ, NEOS, Liste Pilz und Grüne das Votum. Die stellvertretende SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Brunner twitterte ein schlichtes "Yes!". NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar schrieb auf Facebook: "Heute ist ein er'fraulicher' Tag für die Selbstbestimmtheit der Frau in der Europäischen Union." Maria Stern von der Liste Pilz sprach von einem "Sieg der Vernunft über eine restriktive und bevormundende Frauenpolitik", die Grüne EU-Abgeordnete Monika Vana wies darauf hin, dass das Abtreibungsverbot "zu unzähligen Tragödien" und Todesfällen unter Frauen geführt habe.
 

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