Heftige Unruhen

Keine russischen Truppen nach Kirgisien

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Die Krisenregion erhält aber humanitäre Hilfe. Bisher gab es 63 Tote.

Russland plant vorerst keine Truppenentsendung in die von schweren Unruhen erschütterte zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik Kirgistan. Die russische Regierung werde dem Ersuchen der Übergangsregierung in Bischkek um militärische Unterstützung unter den derzeitigen Gegebenheiten nicht nachkommen, teilte die Sprecherin des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, Natalija Timakowa, am Samstag in Moskau mit.

Russland wolle aber humanitäre Hilfe leisten. Auch werde Medwedew das Thema im Sicherheitsbündnis der ehemaligen Sowjetrepubliken auf die Tagesordnung bringen. Jeglicher Einsatz von Friedenstruppen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten könne nur in Übereinstimmung mit UNO-Vorschriften erfolgen. Unterdessen weitete die Übergangsregierung den Ausnahmezustand auf die Region um die Stadt Dschalal-Abad aus. Die Gewalt greife von Osch über, sagte ein Regierungssprecher in Bischkek.

Rund 900 Verletzte
Die Chefin der Übergangsregierung, Rosa Otunbajewa, sagte, sie habe sich nach einem Telefonat mit dem russischen Regierungschef Wladimir Putin auch mit der Bitte um Unterstützung schriftlich an Präsident Medwedew gewandt. Es gehe um Friedenstruppen, die aus mehreren Ländern kommen könnten. Die "Dynamik der Ereignisse" lasse kaum eine andere Lösung zu. Ein Sprecher der usbekischen Minderheit in Kirgistan appellierte an die Übergangsregierung, einen humanitären Korridor für rund 20.000 ältere Menschen sowie Frauen und Kinder einzurichten. Zahlreiche Usbeken flohen an die nahe gelegene Grenze zu Usbekistan. Diese wurde jedoch von der usbekischen Seite nicht geöffnet.

Zur Versorgung der rund 900 Verletzten soll spätestens an diesem Sonntag ein russisches Transportflugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 mit Verbandsmaterial, Medikamenten und Lebensmitteln nach Kirgistan fliegen. Auf dem Rückflug solle die Maschine Schwerverletzte zur Behandlung nach Moskau bringen, sagte Kremlsprecherin Timakowa. Die Zahl der Toten stieg nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Bischkek auf 63, mindestens 835 Menschen wurden verletzt. Nach Einschätzung von Menschenrechtsgruppen dürfte die tatsächliche Opferzahl noch höher liegen, weil viele ethnische Usbeken sich nicht ins Krankenhaus wagen würden.

Bakijew für Unruhen verantwortlich?
Otunbajewa machte die Familie des im April gestürzten und exilierten Ex-Präsidenten Kurmanbek Bakijew für die Unruhen in Osch verantwortlich. Bakijew hatte nach seinem Sturz das Land verlassen und hielt sich zuletzt in Weißrussland (Belarus) auf. Spannungen zwischen Kirgisen und Usbeken gibt es in Südkirgisien schon seit Jahrzehnten. 1990 kamen bei Konflikten zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen um Grundbesitz in der Region Osch mehrere hundert Menschen ums Leben. Nur durch den Einsatz der sowjetischen Armee konnten die Kämpfe damals beendet werden.

Russland verfügt über einen Luftwaffenstützpunkt in Kirgistan, müsste aber im Fall einer Intervention in Osch zusätzliche Soldaten schicken. Russland und die zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan kooperieren zusammen mit China in der "Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit" (SCO) (auch "Shanghai-Sechs").

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