US-Außenminister Kerry fordert erneut eine Zweistaatenlösung.
Der scheidende US-Außenminister John Kerry hat in deutlichen Worten an Israelis und Palästinenser appelliert, die Zweistaatenlösung nicht aufzugeben. Diese sei die einzige Möglichkeit, dauerhaft Frieden zu schaffen, sagte Kerry am Mittwoch in Washington in einer mehr als einstündigen Grundsatzrede zum Nahostkonflikt.
Er wies zugleich Kritik aus Israel zurück, die USA hätten das Land mit der Enthaltung im UN-Sicherheitsrat im Stich gelassen.
Der künftige US-Präsident Donald Trump sicherte Israel unterdessen seine Unterstützung zu und übte scharfe Kritik an der Haltung der scheidenden Regierung.
Sechs-Punkte-Plan
Kerry legte in sechs Punkten seine Vision einer Friedensregelung in dem Konflikt dar. Er macht sich darin für eine Zweistaatenlösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 mit vereinbartem Landtausch stark.
Jerusalem müsse Hauptstadt für beide Staaten sein, sagte er. Die Vereinbarung müsse Israels Sicherheitsbedürfnissen gerecht werden. Zudem forderte Kerry ein vollständiges Ende der Besatzung, die Entmilitarisierung der Palästinenser sowie eine Entschädigung für das palästinensische Flüchtlingsproblem.
Kerry sagte, beide Konfliktparteien hätten die Wahl. Laufe es auf einen einzigen Staat hinaus, "dann kann Israel entweder jüdisch sein oder demokratisch", fügte er hinzu. "Es kann nicht beides sein, und es wird sich niemals wirklich im Frieden befinden."
Es war Kerrys letzte große Rede zum Nahostkonflikt, bevor der Demokrat am 20. Jänner 2017 aus dem Amt scheidet. Er hatte als Vermittler die vorerst letzten Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern ermöglicht. Diese scheiterten im April 2014.
Spannungen
Zwischen den USA und Israel war es in den vergangenen Tagen zu Spannungen gekommen, nachdem der UN-Sicherheitsrat Israel am Freitag zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ost-Jerusalem aufgefordert hatte. Siedlungen wurden darin als Verstoß gegen internationales Recht und großes Hindernis für einen Frieden in Nahost bezeichnet. 14 Länder stimmten dafür, die USA verzichteten auf ihr Vetorecht und enthielten sich. Israel reagierte mit Kritik an der Regierung des scheidenden Präsidenten Barack Obama.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warf Kerry nach dessen Rede Voreingenommenheit gegenüber Israel vor. "Über eine Stunde lang hat Kerry sich zwanghaft mit den Siedlungen befasst und kaum mit der Wurzel des Konflikts - der Opposition der Palästinenser gegen einen jüdischen Staat in irgendwelchen Grenzen", sagte Netanyahu nach Angaben seines Büros. Damit gleiche die Rede der Resolution des Weltsicherheitsrates gegen die israelische Siedlungspolitik, "die Kerry bei der UNO vorangetrieben hat", warf Netanyahu dem scheidenden Außenminister vor. Kerry hatte diese Darstellung in seiner Rede zurückgewiesen. Die USA hätten den Resolutionstext nicht entworfen.
Ein ranghoher israelischer Minister hatte Kerrys Rede bereits im Vorfeld als "armseligen und undemokratischen Schritt" verurteilt. Es sei klar, dass die scheidende Regierung des US-Präsidenten Barack Obama dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump mit ihren Schritten "Fesseln anlegen" wolle, sagte Gilad Erdan, Minister für öffentliche Sicherheit, dem israelischen Armeesender. "Die Obama-Regierung vertritt leider pro-palästinensische Positionen und versteht überhaupt nicht, was im Nahen Osten passiert."
Trump übt harte Kritik
Auch Trump übte erneut scharfe Kritik an der Haltung der amtierenden Regierung. "Wir dürfen Israel nicht länger mit solch totaler Verachtung und Respektlosigkeit behandeln", schrieb der Republikaner vor Kerrys Rede bei Twitter. Israel habe in den USA einst einen "großartigen Freund" gehabt, dem sei aber nicht mehr so. Nach seiner Amtsübernahme am 20. Jänner 2017 werde sich das wieder ändern, versicherte der Republikaner. Netanyahu bedankte sich daraufhin bei Trump für dessen "warme Freundschaft" und "eindeutige Unterstützung Israels".
Trump hat mit David Friedman einen US-Botschafter ernannt, der ausdrücklich hinter der Siedlungspolitik steht. Außerdem will der künftige Präsident die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen - ein Affront in den Augen der Palästinenser und vieler arabischer Staaten. Am Dienstag ernannte er seinen Anwalt und Berater Jason Greenblatt zum Sonderbeauftragten für internationale Verhandlungen. Greenblatt trat im Wahlkampf als Trumps Berater in Israel-Fragen auf. Dem israelischen Armeesender sagte er im November: "Es ist nicht Trumps Ansicht, dass Siedlungsaktivitäten verurteilt werden sollten."