Der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist nach Angaben von Unterstützerinnen und Unterstützern zu einer weiteren langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Ein Gericht hat demnach am Freitag wegen verschiedener Vorwürfe weitere Haftstrafen verhängt, wodurch Nawalny nun insgesamt 19 Jahre im Gefängnis bleiben muss. Der Kritiker von Präsident Wladimir Putin sitzt bereits frühere Haftstrafen in einer Strafkolonie ab.
Das Strafmaß schließt das bisherige Urteil von neun Jahren Straflager mit ein, wie russische Medien schrieben. "Schlussendlich werden gegen Nawalny eine Freiheitsstrafe von 19 Jahren angesetzt", sagte Richter Andrej Suworow der russischen Agentur Interfax zufolge.
Verurteilung wegen Betruges
Bereits am Donnerstag hatte Nawalny erklärt, er rechne mit einer Strafe knapp unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Dauer von 20 Jahren. Der 47-Jährige sitzt nach einer Verurteilung wegen Betruges in der Strafkolonie Melechowo etwa 235 Kilometer östlich von Moskau.
Nawalny und seine Unterstützer haben in sozialen Netzwerken immer wieder Korruption und Machtmissbrauch von Putin und seinen Gefolgsleuten angeprangert. Nawalny hat die russische Führung wiederholt als "Schurken und Diebe" bezeichnet. Seine Unterstützer setzten ihre Arbeit auch nach seiner Inhaftierung fort. Im Juni hatte Nawalny aus der Haft heraus eine neue Kampagne gegen Putin angekündigt.
In guter "moralischer und physischer Verfassung"
Nawalnys Team im Exil erklärte, dass die Strafe in einem Lager unter besonderen Haftbedingungen abgesessen werden solle, die noch strenger seien als die in der bisherigen Kolonie. Nawalny sei wie ein "König" lächelnd ohne Fesseln allein in den Saal gekommen, kommentierten seine Mitarbeitenden, die sich im Exil in der EU aufhalten, in einer Livesendung auf Youtube. Sein Bruder Oleg Nawalny, der selbst schon inhaftiert gewesen war, sagte dass Alexej in guter "moralischer und physischer Verfassung" sei.
Seine Unterstützerinnen und Unterstützer kritisieren zudem, dass der Prozess nicht vor dem Moskauer Stadtgericht, sondern direkt in Nawalnys Strafkolonie abgehalten wird. Dort versammelten sich vereinzelt Aktivistinnen und Aktivisten, um den Oppositionsführer zu unterstützen. Nawalny wird nach Berichten seines Teams durch unmenschliche Haftbedingen und Dauerisolation gefoltert.
Nawalny wurde im Jänner 2021 nach seiner Rückkehr nach Russland festgenommen. Im August 2020 war er auf einem innerrussischen Flug zusammengebrochen. Zunächst wurde er in Russland behandelt, dann in das Berliner Charité-Krankenhaus verlegt. Dort wurde eine Vergiftung mit einem Nervengift festgestellt. Die Regierung in Moskau hat Vorwürfe zurückgewiesen, russische Behörden hätten versucht, ihn zu töten.
Schallenberg fordert sofortige Freilassung
Österreich bedaure das Urteil gegen Nawalny zutiefst und die anhaltende Misshandlung in der Haft, hieß es in einer ersten Reaktion von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) auf Twitter (X). Russland instrumentalisiere weiterhin sein Rechtssystem. "Ich wiederhole die nachdrückliche Aufforderung Österreichs an Russland, der Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach einer sofortiger Freilassung nachzukommen", so Schallenberg.
Von einer "Willkürjustiz" sprach Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock. Die Freiheitsstrafe von 19 Jahren sei "blankes Unrecht". Russlands Präsident Putin "fürchtet nichts mehr als Eintreten gegen Krieg und Korruption und für Demokratie - selbst aus der Gefängniszelle heraus", twitterte Baerbock. Putin werde damit kritische Stimmen nicht zum Schweigen bringen.
UNO-Hochkommissar kritisierte das Urteil scharf
Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, kritisierte das Urteil scharf und forderte die Freilassung Nawalnys. Es gebe "erneut Anlass zu ernster Besorgnis über die Schikanen der Justiz und die Instrumentalisierung des Gerichtssystems für politische Zwecke in Russland", teilte der Österreicher in Genf mit. Das Recht auf freie Meinungsäußerung werde zunehmend unterdrückt.
Seit dem Einmarsch in die Ukraine im vergangenen Jahr hat Russland seine Maßnahmen gegen Regierungskritiker drastisch verschärft. Im April war ein weiterer prominenter Regierungskritiker zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Ein Gericht in Moskau befand damals Wladimir Kara-Mursa des Hochverrats und weiterer Vergehen schuldig und ordnete 25 Jahre Lagerhaft an. Kara-Mursa war jahrelang in der Opposition tätig. Er war ein enger Vertrauter des Politikers Boris Nemzow, der 2015 in der Nähe des Kreml ermordet wurde. Kara-Mursa setzte sich bei ausländischen Regierungen und Institutionen für die Verhängung von Sanktionen gegen Russland und einzelne Russen wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen ein.