Coronavirus

'Lage in griechischen Flüchtlingscamps kann explodieren'

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'Überfüllte Orte sind der beste Platz zur Verbreitung der Krankheit': Kommt es jetzt zur Katastrophe?

Obwohl es in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln noch keine Corona-Infektion gibt, sind die Ärzte ohne Grenzen (MSF) besorgt. "Überfüllte Orte sind der beste Platz zur Verbreitung der Krankheit", sagte Apostolos Veizis, medizinischer Leiter von MSF Griechenland, zur APA. Die Zustände in den Lagern seien schlimm: "Wir sind besorgt, weil wir denken, die Situation kann explodieren."
 
Die Menschen in den Lagern seien mehreren Risikofaktoren ausgesetzt, die sie krank machen und die Verbreitung von Krankheiten erleichtern können, ergänzte Veizis. Mehr als 40.000 Menschen leben in den Lagern auf fünf Inseln, die Kapazität eigentlich nur für 6.000 hätten. Maßnahmen wie Distanz einhalten seien dabei unmöglich. In Zelten von drei Meter Durchmesser leben rund sechs Personen, berichtete der Experte, der sich gerade in Athen aufhält.
 

Unhygienische Bedingungen

Hinzu kämen "unhygienische Bedingungen" und ein großer Mangel an sanitären Einrichtungen. "Die Menschen leben zwischen Müll." Veizis berichtete: Im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos etwa gebe es einen Bereich, in dem 5.000 Menschen keinen Zugang zu Wasser, Toiletten oder Elektrizität hätten. "Sie verrichten ihre Notdurft unter freiem Himmel. 1.300 Menschen teilen sich eine Wasserstelle. Eine Toilette ist für 167 Menschen, eine Dusche für mehr als 200 Menschen da."
 
Zugang zu medizinischer Versorgung hätte ein Großteil der Asylwerber nur im Notfall. Auf Lesbos gebe es drei Ärzte für rund 20.000 Bewohner. Selbst Krankheiten, die eigentlich verhindert werden könnten zum Beispiel durch eine Masernimpfung, brachen aus. Außerdem gebe es viele psychische und physische Krankheiten in den Lagern. Kinder hegen laut SOS Kinderdorf Suizidgedanken. Sechs von zehn Bewohnern seien unter 12 Jahre alt, 15 Prozent davon unbegleitete Minderjährige, so Veizis.
 

Unter Quarantäne gestellt

Im Kampf gegen das Coronavirus hat die griechische Regierung die Camps praktisch unter Quarantäne gestellt. Von 7 Uhr abends bis 7 Uhr in der Früh dürften sich die Bewohner nicht frei bewegen. Die Möglichkeit, tagsüber aus dem Lager rauszugehen, sei stark eingeschränkt worden. Für die Asylwerber bedeute das "mehr Angst, mehr Stress", was zu mehr Gewalt führen könne, erklärte Veizis. Schon mehrmals kam es zu aggressiven Auseinandersetzungen oder Bränden.
 
Die Nichtregierungsorganisation bereitet sich nun gemeinsam mit den Behörden auf einen möglichen Corona-Ausbruch vor. So würden Möglichkeiten für Untersuchungen eingerichtet, sowie für Isolation und Triage, also die Trennung von Infizierten. Die Lagerbewohner seien über das Virus informiert worden. Außerdem kooperiere MSF mit den Spitälern zur Erhöhung der Kapazitäten.
 
Ärzte ohne Grenzen fordert die Evakuierung der Lager. Herausgeholt werden sollten insbesondere jene Menschen, die besonders gefährdet sind wie etwa chronisch Kranke. Gefordert sei hierbei nicht nur die griechische Regierung sondern auch die EU. Veizis hofft sehr auf Solidarität der EU-Länder, dass diese in der Krise gerade auf die Verletzlichsten nicht vergessen. Einsperren und abschirmen von Flüchtlingen erachtet er jedenfalls als keine Lösung: "Krankheiten kennen keine Grenzen und Identitäten von Patienten."
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