Hunderttausende protestieren gegen Lockerung des Kündigungsschutzes.
Dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi bläst erstmals seit seinem Amtsantritt im vergangenen Februar Gegenwind ins Gesicht. Hunderttausende Demonstranten gingen am Samstag in Rom auf die Straße und beteiligten sich an einem vom Gewerkschaftsverband CGIL ausgerufenen Massenprotest gegen die geplante Lockerung des Kündigungsschutzes.
Menschen aus ganz Italien nahmen an dem Protest teil und zogen in zwei Demonstrationszügen durch die Stadt, bevor sie sich zu einer Schlusskundgebung auf dem Lateranplatz versammelten. 2.300 Busse und Sonderzüge brachten die Demonstranten in die Hauptstadt. Wegen des starken Teilnehmerandrangs brachen die Demonstrantenzüge eine Stunde früher als geplant auf. Laut den Organisatoren beteiligten sich 1,5 Millionen Menschen an der Großveranstaltung. Diese Zahl wird jedoch von der Polizei als übertrieben bewertet.
Lockerung des Kündigungsschutzes
Der Protest richtet sich gegen die von Renzi im Senat durchgesetzte Lockerung des Kündigungsschutzes und gegen die Aufweichung von Artikel 18 des Arbeitnehmerstatuts. Dieser garantiert Arbeitern in Unternehmen mit über 15 Mitarbeitern einen besonders starken Kündigungsschutz. Renzis Anliegen ist es, den italienischen Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. Die Gewerkschaften wollen dies mit allen Mitteln verhindern. Renzis "Job Act" genannte Arbeitsmarktreform will unter anderem eine Rationalisierung im Dschungel verschiedener Formen von Arbeitsverträgen erreichen.
Der Artikel 18 stammt aus den siebziger Jahren und gibt den Arbeitnehmern weitreichende Rechte. Demnach dürfen Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten ihre Mitarbeiter nur kündigen, wenn ein "gerechter Grund" vorliegt. Wenn Arbeitnehmern kein schwerwiegendes Vergehen nachgewiesen werden kann, müssen die Arbeitsgerichte eine Wiedereinstellung anordnen.
"Arbeit, Würde und Gleichberechtigung" lautete der Slogan der Demonstration, an der sich auch viele Jugendliche beteiligten. Italien ist mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 42 Prozent konfrontiert. "Hände weg von den Rechten der Arbeitnehmer", war auf den Spruchbändern zu lesen. "Diese Großdemonstration ist der Auftakt einer Reihe von Protestinitiativen in Italien. Niemand darf an den Rechten der Arbeitnehmer rütteln", sagte die Chefin des Gewerkschaftsverbandes CGIL, Susanna Camusso, die die Kundgebung in Rom anführte.
Renzi unbeeindruckt
Der Sozialdemokrat Renzi zeigte sich von dem Protest unbeeindruckt. "Wir respektieren die Demonstranten, doch eines muss klar sein: Die Zeiten sind in Italien vorbei, als eine Großdemonstration eine Regierung und das Land lahmlegen konnte. Wir geben nicht nach, und wir werden Italien erneuern", sagte Renzi.
Innenminister Angelino Alfano beschuldigte den Gewerkschaftsverband CGIL, einer Reform, die dringend nötige Jobs in Italien schaffen werde, Steine in den Weg zu legen. Arbeitsminister Giuliano Poletti erklärte, dass die Regierung auf die Lockerung des Kündigungsschutzes nicht verzichten werde. "Wir können vor Tabus der italienischen Linken nicht haltmachen", sagte der Minister.