Nichts geht mehr: Premierministerin verschob die Abstimmung über Brexit-Abkommen.
Die Nerven liegen blank. Auf allen Seiten. Eigentlich hätte heute die finale Abstimmung über Mays Brexit-Plan im britischen Parlament stattfinden sollen. Im letzten Moment hat die Premierministerin wegen der drohenden Schlappe für die Brexit-Vereinbarung die Notbremse gezogen. Das geplante Votum im Unterhaus wurde abgeblasen. Es galt als aussichtslos, dass die Abgeordneten ihre Zustimmung zu dem Ausstiegsvertrag mit der EU geben. Selbst 100 der 315 Abgeordneten aus Mays Partei waren gegen den Brexit-Deal. Wann die Abstimmung jetzt stattfinden soll, ist offen.
Kommt jetzt doch zweites Brexit-Referendum?
May strebt jetzt Nachverhandlungen mit Brüssel über das Brexit-Abkommen an. Sie werde ihren EU-Kollegen die „Bedenken“ des britischen Unterhauses vortragen und „weitere Zusicherungen“ aus Brüssel verlangen, sagte sie am Montag in London. Die EU-Kommission hatte zuvor erklärt, dass sie das Abkommen nicht neu verhandeln wolle. EU-Ratspräsident Donald Tusk berief für Donnerstag einen Brexit-Gipfel in Brüssel ein – auch wenn er das dementiert, dort kann über neue Details verhandelt werden...
So oder so stehen die Zeichen auf Brexit-Sturm: Zur Abstimmung im britischen Parlament wäre der knapp 600 Seiten dicke Ausstiegsvertrag mit der EU gestanden. Er legt die Regeln für den Austritt Großbritanniens juristisch verbindlich fest. Das Dokument wurde vor gut zwei Wochen auf einem Sondergipfel in Brüssel von den Staats- und Regierungschefs der übrigen 27 EU-Länder unterzeichnet.
Jetzt das neuerliche Briten-Chaos. Damit deutet vieles auf ein zweites Referendum hin, das May allerdings bisher strikt ablehnte. Bestärkt wurden dadurch auch die Brexit-Gegner, die am Montag vor dem britischen Parlament demonstrierten. Sie forderten eine neuerliche Abstimmung über den Verbleib in der Europäischen Union. Bestärkt wurden die Brexit-Gegner auch durch die Entscheidung von EU-Höchstrichtern in Luxemburg, wonach sich London einseitig ohne Zustimmung anderer EU-Länder vom Brexit zurückziehen könnte. Bis zum 29. März haben die Briten Zeit, den Brexit abzublasen.
Gericht: Briten dürfen vom Brexit zurücktreten
Dieses Sensationsurteil fällten die Experten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Das oberste schottische Zivilgericht hatte den EuGH um diese Bewertung gebeten.
- Rücktritt vom Brexit. Vor dem EuGH ging es um die Frage, ob Großbritannien den Austrittsantrag, der im März 2017 abgegeben wurde, auch einseitig zurückziehen könnte. Bisher hieß es, dass die übrigen 27 EU-Staaten einem Exit vom Brexit zustimmen müssten. Nun entschieden die Richter: Die Briten können dies ohne Billigung Brüssels tun.
- So lange haben die Briten Zeit. Die Möglichkeit für einen einseitigen Rückzieher besteht laut EuGH bis zum Ende der Zweijahresfrist nach der Austrittserklärung. Ziehen die Briten bis 29. März 2019 zurück, bliebe das Vereinigte Königreich unter unveränderten Bedingungen Mitglied der EU.
- Hilfe für Brexit-Gegner. Das Urteil gibt den Brexit-Gegnern, die vehement ein zweites Referendum fordern, enormen Auftrieb.
Karl Wendl