"Partei ist der Auflösung begriffen"

Meinungsforscher prognostiziert Ende der Sozialdemokraten

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Der Forsa-Chef wirft der Partei vor, die Mitte verloren zu haben. 

Die Sozialdemokratie ist in mehreren europäischen Ländern in der Krise – vor allem in Deutschland. Aber auch in Österreich fuhr die SPÖ ein historisch schlechtes Wahlergebnis ein. Ganz düster soll es aber um die SPD in Deutschland stehen, wie nun der Forsa-Meinungsforscher Manfred Güllner attestiert. Er geht sogar so weit und sagt ein Verschwinden der SPD voraus: "Die SPD ist in der Auflösung begriffen. Ein neuer Vorsitzender wird das nicht ändern", sagte der Forsa-Chef im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Er wirft ihr vor, die Mitte verloren zu haben und nur nach links zu schwenken. Güllner ist selbst seit 1964 SPD-Mitglied und mit Gerhard Schröder befreundet. Die SPD habe seit 1998 rund 13 Millionen Wähler verloren, bei der Ursachenforschung komme sie aber nicht voran, sagt Güllner. "Sie sollte darüber nachdenken, wie es so weit kommen konnte. Das tut sie gerade nicht, wenn sie immer weiter nach links schwenkt. Die SPD hat die Mitte verloren", betonte er.

 

Kühnert: "Sozialdemokratie hat ihre Existenzberechtigung hinterfragt"

Für Kevin Kühnert, den Vorsitzenden der deutschen Jungsozialisten (Jusos), ist die Krise der europäischen Sozialdemokratie selbst verschuldet. Sie habe vor rund 20 Jahren "ihre eigenen Errungenschaften, die sie über mehr als 100 Jahre mühsam aufgebaut und durchgesetzt hat, plötzlich zur Disposition gestellt", so Kühnert am Donnerstag im APA-Interview in Wien.
 
"Es sind ja maßgeblich die Parteien der sozialdemokratischen Familie gewesen, (...) die wichtige soziale Rechte, die davor gegolten haben und auf die man sich verlassen konnte, infrage gestellt haben", erklärte der 28-jährige Berliner, der sich anlässlich einer Diskussionsveranstaltung im Bruno Kreisky Forum in Österreich aufhielt. Damit habe sie "ihre eigene Existenzberechtigung ein Stück weit zumindest infrage gestellt". Nach 20 Jahren spürten viele Menschen die Nachteile dieser politischen Entscheidungen. "Sie schauen sich jetzt nach einer politischen Kraft um, mit der sie ihren Unmut, ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen können", fuhr Kühnert fort. "Die klassische politische Kraft, die dafür immer zur Verfügung stand - die politische Linke mit der Sozialdemokratie an der Spitze - fällt aus, weil sie selber diesen Zustand herbeigeführt hat", unterstrich er.
 
"Im Moment wird uns von vielen aus guten Gründen kein Gehör geschenkt", so der Jusos-Chef. "Die Sozialdemokratie könnte (...) morgen ein Programm aufstellen, das sinngemäß verkündet, all diese Fehlentwicklungen der letzten 20 Jahre zurückzudrehen und zu einer zeitgemäßen Form des damaligen Status quo zurückzukehren. Ganz viele Menschen würden abwinken und sagen 'interessiert mich nicht mehr, weil ihr habt mein Vertrauen enttäuscht'", führte er aus.
 
Aus Gesprächen weiß Kühnert, dass die Menschen "als Erstes (...) eine Form von Eingeständnis" hören wollten. In jeder menschlichen Beziehung wie auch in der Politik sei "Vertrauen eine wichtige Grundlage". "Dazu gehört auch, dass ich bereit bin, Fehler einzugestehen und ehrlich damit umzugehen, und das lassen wir vermissen", kritisierte er. "Was anfänglich einfach nur auf Widerspruch gestoßen ist, stößt mittlerweile einfach auf blanke Wut, denn zu dem Unverständnis über die politischen Maßnahmen als solche kommt auch das Unverständnis darüber hinzu, warum die Sozialdemokratie nicht in der Lage ist, eigene Fehler zu erkennen und wieder zu korrigieren", sagte der Politiker.
 
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