Wegen Haft für Journalisten

Menschenrechtsgericht verurteilt Türkei

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EGMR wirft Ankara Verletzung der Meinungsfreiheit vor.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei wegen der unrechtmäßigen Untersuchungshaft zweier prominenter Journalisten verurteilt. Die Türkei habe rechtswidrig gehandelt, als sie Sahin Alpay und Mehmet Altan in Gefangenschaft behielt, obwohl das Oberste Gericht des Landes ihre Freilassungen angeordnet hatte, urteilten die Straßburger Richter am Dienstag.
 
Damit haben türkische Journalisten, die nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 verhaftet worden waren, zum ersten Mal erfolgreich vor dem Straßburger Gericht geklagt, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Der türkische Staat muss ihnen nun jeweils 21.500 Euro Entschädigung zahlen.
 

Umgang mit prominenten Journalisten hat für Heftige Kritik gesorgt

Alpay und Altan waren vor knapp zwei Jahren nach dem gescheiterten Militärputsch, für den die türkische Regierung den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich macht, festgenommen worden. Alpay schrieb für die inzwischen geschlossene Zeitung "Zaman", das wichtigste Medium der Bewegung des im US-Exil lebenden islamischen Predigers Fetullah Gülen. Altan leitete eine Diskussionssendung im Fernsehen.
 
Der Umgang der türkischen Justiz mit den beiden prominenten Journalisten hatte international Kritik ausgelöst. In beiden Fällen hatte das Oberste Gericht der Türkei deren Freilassung angeordnet. Nachdem die türkische Regierung jedoch harsche Kritik an dieser Entscheidung geübt hatte, weigerten sich untergeordnete Gerichte, das Urteil auch umzusetzen. Die Journalisten blieben vorerst in Haft.
 

Meinungsfreiheit verletzt

Dieses Vorgehen stehe im Widerspruch zu "fundamentalen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit", befanden die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Sie urteilten außerdem, dass die Türkei mit der Strafverfolgung der Journalisten deren Meinungsfreiheit verletzt habe. Kritik an der Regierung dürfe nicht als Terrorunterstützung geahndet werden. Die beiden Journalisten aufgrund von Meinungsäußerungen zu verhaften, sei in einer demokratischen Gesellschaft nicht angemessen.
 
Alpay ist nach einem erneuten Urteil des Verfassungsgerichts mittlerweile aus dem Gefängnis entlassen und unter Hausarrest gestellt worden. Das Verfahren gegen den 74-Jährigen, dem Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen wird, läuft noch. Das Datum für einen Prozess gegen ihn steht noch nicht fest. Altan sitzt weiter im Gefängnis. Er wurde im Februar wegen versuchten Umsturzes zu lebenslanger Haft verurteilt.
 
 
Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 geht die Türkei hart gegen mutmaßliche Umstürzler vor. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind in der Türkei derzeit rund 150 Journalisten und Medienschaffende im Gefängnis. In den vergangenen Wochen kamen allerdings einige prominente Journalisten frei, unter anderem Ahmet Sik von der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" und der deutsch-türkische "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel.
 
Die Vereinten Nationen forderten unterdessen die Türkei auf, den seit dem Putschversuch vom Juli 2016 geltenden Ausnahmezustand aufzuheben. Dieser habe zu massiven Menschenrechtsverletzungen geführt, darunter die oft willkürliche Verhaftung von 160.000 Menschen und die Entlassung einer ähnlich hohen Zahl an Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, teilte das UN-Menschenrechtsbüro am Dienstag mit. Viele der Erlasse, die Präsident Recep Tayyip Erdogan unterzeichnet habe, hätten zu Folter, ungestraftem Vorgehen oder Einmischung in die Justiz geführt. Die Türkei müsse nun den Notstand sofort aufheben und die Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen, hieß es in dem Bericht.
 
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