Angela Merkel muss einen überraschenden Dämpfer bei der Kanzlerwahl einstecken.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Mittwoch im Amt bestätigt worden. Der Bundestag in Berlin wählte sie mit recht knapper Mehrheit zum vierten Mal zur Regierungschefin. Ihr fehlten etliche Stimmen aus dem eigenen Lager. Bei der Abstimmung im deutschen Parlament erhielt Merkel 364 von 688 abgegebenen gültigen Stimmen. Es gab 315 Gegenstimmen und neun Enthaltungen.
Gegenstimmen aus Koalition
Ihre Große Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten verfügt zusammen über 399 der 709 Parlamentssitze. Für die Wahl des Kanzlers ist in Deutschland die Mehrheit aller Mitglieder des Bundestags erforderlich. Diese sogenannte "Kanzlermehrheit" entspricht derzeit 355 Stimmen. Merkel nahm die Wahl an. Sie erhielt bei der geheimen Wahl jedoch 35 Stimmen weniger als die 399 Sitze, über die das Regierungsbündnis aus CDU, CSU und SPD verfügt. Zudem applaudierte die SPD der Kanzlerin nicht.
Opposition lästert
Die Opposition sieht in dem Ergebnis bei der Wiederwahl von Merkel keinen guten Start für die Große Koalition. Das sei ein "holpriger Start" für Merkel und die neue Regierung, sagte Linken-Chefin Katja Kipping am Mittwoch dem Sender n-tv.
Sie habe gewusst, dass es in den Reihen der SPD-Abgeordneten "Unmut" gebe, sagte Kippling. Sie sei aber "erstaunt, dass es am Ende nur neun Stimmen über dem Durst waren". Das ist für sie kein guter Start", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki dem Sender Phoenix mit Blick auf Merkel. Das zeige, dass eine Reihe von Abgeordneten aus den Reihen von Union und SPD mit der Politik der Kanzlerin und Merkel selbst nicht einverstanden seien.
Zähe Verhandlungen
Die Regierungsbildung hatte dieses Mal länger gedauert als je zuvor in der Bundesrepublik Deutschland. Bei der Parlamentswahl am 24. September hatte die Koalition aus Merkels CDU, ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU und der SPD zusammen 13,8 Prozentpunkte Stimmen verloren. Die SPD wollte sich deshalb in der Opposition regenerieren.
Sondierungen zur Bildung einer "Jamaika"-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen scheiterten aber im November. Nach schwarz-roten Sondierungen, einem SPD-Sonderparteitag, Koalitionsverhandlungen und einer SPD-Mitgliederbefragung wurde der Vertrag zur Neuauflage der Großen Koalition erst am Montag dieser Woche unterschrieben.
Die neue deutsche Regierung plant Steuerentlastungen, eine Erhöhung des Kindergeldes und der Bildungsausgaben sowie Verbesserungen bei der Rente. Es bleibt aber dabei, dass im deutschen Haushalt keine neuen Schulden aufgenommen werden sollen. Der Zuzug von Flüchtlingen soll die Zahl von 180.000 bis 220.000 pro Jahr möglichst nicht überschreiten, der Familiennachzug begrenzt werden.
Neue Gesichter
In der Bundesregierung gibt es etliche neue Gesichter. Finanzminister und zugleich Vizekanzler wird der bisherige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Er folgt auf den CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, der Parlamentspräsident wurde.
Neuer Außenminister wird der bisherige Justizminister Heiko Maas. Der bisherige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wird als Innenminister mit 68 Jahren ältestes Mitglied im Kabinett. Jüngster Minister ist mit 37 Jahren der bisherige Finanz-Staatssekretär Jens Spahn (CDU). Einzige Ostdeutsche in der Ministerriege ist die SPD-Politikerin Franziska Giffey (39). Sie war zuvor Bürgermeisterin des Berliner Problembezirks Neukölln.
Merkel hatte erklärt, dass sie die volle vierjährige Wahlperiode regieren wolle. 2021 wäre sie dann 16 Jahre im Amt. Das schaffte bisher nur der im vergangenen Jahr verstorbene Altbundeskanzler Helmut Kohl (1982-1998). Unter ihm hatte Merkels politische Karriere begonnen. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 war die in der DDR aufgewachsene Christdemokratin unter Kohl Ministerin geworden. CDU-Chefin ist sie seit 2000.