Türkei

Nachrichtenagentur Cihan: Zwangsverwaltung

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Deutscher Justizminister warnt Türkei vor Einschränkung der Pressefreiheit.

Nach der regierungskritischen Zeitung "Zaman" ist in der Türkei auch die mit dem Blatt eng verbundene Nachrichtenagentur Cihan unter staatliche Zwangsaufsicht gestellt worden. Cihan meldete am Montagabend, das Istanbuler Gericht habe dieselben Treuhänder wie bei "Zaman" ernannt. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu bestätigte, dass Cihan unter Zwangsverwaltung gestellt wurde.

Der Schritt erfolgte während des EU-Gipfels mit der Türkei zur Flüchtlingskrise in Brüssel.

Gülen-Nähe
"Zaman" (Zeit) - die bisher größte Oppositionszeitung der Türkei - und Cihan ("Welt") gehören beide zum Medienkonzern Feza Gazetecilik ("Welt des Journalismus"), der der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen nahesteht. Der im US-Exil lebende Gülen war einst Verbündeter des heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, hat sich mit ihm aber überworfen. Gülens "Hizmet"-Bewegung wurde in der Türkei zur Terrororganisation erklärt.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) nannte es "zynisch, dass während der laufenden Verhandlungen zwischen der Türkei und der EU über die Flüchtlingskrise ein weiteres Medium unter staatliche Kontrolle gestellt wird". DJV-Chef Frank Überall teilte am Dienstag mit: "Die Türkei darf für Deutschland und Europa erst dann ein ernsthafter Verhandlungspartner sein, wenn die Pressefreiheit in dem Land wieder hergestellt ist."

Unterstützung der Terrororganisation
Anadolu meldete, Feza Gazetecilik werde beschuldigt, die "Gülenistische Terrororganisation" zu unterstützen. Erdogan wirft Gülen vor, Parallelstrukturen im Staat geschaffen zu haben, um ihn zu stürzen. Richter mit Sondervollmachten hatten Zaman und das englischsprachige Schwesterblatt "Today's Zaman" am Freitag unter Aufsicht einer staatlichen Treuhandverwaltung gestellt.

In der Nacht zu Samstag stürmte die Polizei daraufhin die Redaktion von "Zaman". Die Zeitung wurde anschließend auf Regierungslinie gezwungen. Die Maßnahme wurde international als erneute Einschränkung der Pressefreiheit in der Türkei kritisiert. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte dagegen darauf verwiesen, dass es sich um eine Entscheidung der Justiz und nicht seiner islamisch-konservativen Regierung gehandelt habe. Die Regierung weist regelmäßig Vorwürfe zurück, wonach sie die Pressefreiheit einschränken würde.

Cihan beschäftigt nach eigenen Angaben rund 600 Mitarbeiter. Die Agentur verbreitet Texte, Fotos und Videos.

Einschränkung der Pressefreiheit
Deutschlands Justizminister Heiko Maas warnte die Türkei vor der Einschränkung der Pressefreiheit. Man werde die Unterdrückung einer kritischen Berichterstattung nicht hinnehmen, sagte der SPD-Politiker am Dienstag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe laut Vorabbericht. Auch EU-Parlamentpräsident Martin Schulz erneuerte seine Kritik an der Erstürmung der regierungskritischen Zeitung "Zaman" durch Polizeikräfte. Bei den Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union sei die Pressefreiheit ein zentraler Punkt, sagte er dem Sender N24.

Maas und Schulz warnten davor, der türkischen Regierung für Zugeständnisse in der Flüchtlingskrise zu weit entgegenzukommen. "Wir werden uns von der Türkei nicht erpressen lassen, erst recht nicht, wenn es um Menschenrechte geht", teilte Maas unabhängig von dem Interview mit. Ähnlich äußerte sich Schulz: "Einen Rabatt auf Grundrechte, übrigens auch hinsichtlich der Lage im Verhältnis zu den Kurden, kann es sicher deshalb nicht geben und wird es auch nicht geben."

Verteidigung
Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu verteidigte sein Land gegen Kritik. Niemand könne der Türkei mangelnde Redefreiheit vorwerfen, sagte er nach dem EU-Türkei-Flüchtlingsgipfel am frühen Dienstagmorgen in Brüssel. "Die Meinungsfreiheit ist unser gemeinsamer Wert, und sie wurde und wird in der Türkei geschützt."

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