Dem Tod ins Auge geblickt

Neues Schock-Bild zeigt den Horror im Mittelmeer

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Nach einem erneuten Schiffsdrama erhebet eine NGO schwere Vorwürfe gegen die libysche Küstenwache.

Ein starrer Blick. Fast scheint es so, als wäre alles Leben aus dieser Frau ausgesaugt - nur die Verzweiflung ist es, die bleibt. Es ist jener Blick, den Retter im Mittelmeer täglich zu Gesicht bekommen. Es ist der Blick eines Menschen, der gerade den Tod gesehen hat.

Aufgenommen wurde dieses Bild vor der libyschen Küste. Retter der spanischen NGO "Proactiva Open Arms" zogen die Frau aus einem Wrack eines Fischerbootes. Sie konnte gerettet werden. Sie wird leben. Eine Frau und ein kleines Kind nicht mehr. Sie wurden nur noch tot aus dem Wasser geborgen.

In welchem Verhältnis die Frau und die Toten standen, war vorerst noch unklar.  Die NGO hat am Dienstag schwere Vorwürfe gegen die libysche Küstenwache erhoben. Diese habe eine Frau und ein Kind an Bord eines Fischerbootes sterben lassen, weil sie nicht in ein libysches Schiff einsteigen wollten, twitterte der Chef der Hilfsorganisation, Oscar Camps.

Schiffsdrama Libyen Proactica Open Arm Mittelmeer
© APA/AFP/PAU BARRENA

NGO: Küstenwache hat Boot versenkt

"Die libysche Küstenwache hat davon berichtet, 18 Menschen in einem Boot humanitäre Hilfe geleistet zu haben. Sie hat aber nicht gesagt, dass sie zwei Frauen und ein Kind an Bord des Bootes gelassen und dieses versenkt haben, weil die beiden nicht in das libysche Schiff einsteigen wollten", teilte Camps mit.

Auf Twitter zeigte Camps das Foto vom Wrack des Bootes mit den Leichen einer Frau und eines Kindes. Die spanische Hilfsorganisation beklagte fehlende Rettungseinsätze in internationalen Gewässern.

Schiffsdrama Libyen Proactica Open Arm Mittelmeer
© APA/AFP/PAU BARRENA

 

Salvini: "Italienische Häfen seht ihr nur auf Postkarten"

Laut dem italienischen Innenminister Matteo Salvini befinden sich derzeit zwei Schiffe von "Proactiva Open Arms" in libyschen Gewässern. "Sie warten auf ihre Menschenladung. Sie sollten Zeit und Geld sparen: Die italienischen Häfen sehen sie nur auf einer Postkarte", twitterte der Vizepremier und Chef der rechtspopulistischen Lega.

Salvini geriet scharf unter Druck. Der Ex-Verkehrsminister und Sozialdemokrat Graziano Delrio rief den Innenminister und Vizepremier auf, seinen "Kreuzzug des Hasses" zu stoppen. Mit seinem scharfen Einwanderungskurs habe Salvini bereits mehrere Menschenleben auf dem Gewissen, kritisierte die Ex-Parlamentspräsidentin Laura Boldrini. "Bleiben wir menschlich", appellierte Boldrini.

Matteo Salvini
© APA/AFP/ALBERTO PIZZOLI

Italiens Innenminister Salvini steht schwer in der Kritik.
 

Libysche Küstenwache weist Vorwürfe zurück

Die libysche Küstenwache bestritt indes, für den Tod der beiden Migranten verantwortlich zu sein. "Alle 158 an Bord wurden gerettet und niemand wurde zurückgelassen", sagte der Verantwortliche für den zentralen Küstenabschnitt Libyens, Taufik al-Sakir gegenüber der dpa. Die Berichte über drei Zurückgelassene seien "lächerlich".

Die Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung hat privaten NGO-Schiffen im Juni die Einfahrt in Italiens Häfen verboten. Dieses Verbot will Salvini auch auf die Schiffe offizieller internationaler Missionen im Mittelmeer ausweiten, um den Druck auf die anderen EU-Staaten zu erhöhen, Flüchtlinge aufzunehmen.

Österreich will keine Bootsflüchtlinge aufnehmen

Sechs EU-Staaten - Deutschland, Spanien, Portugal, Malta, Frankreich und Irland - hatten sich nach einem Aufruf des italienischen Regierungschefs Giuseppe Conte bereit erklärt, einen Teil der rund 450 am Samstag von der EU-Grenzschutzbehörde geretteten und in Italien gelandeten Migranten aufzunehmen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) lehnte dies in einem Antwortschreiben unter Verweis auf die hohe Aufnahmequote Österreichs ab. Pro Kopf gerechnet hätten Deutschland, Österreich und Schweden im vergangenen Jahr laut Eurostat EU-weit die meisten Asylbewerber anerkannt.
 

Schlepper festgenommen

Elf mutmaßliche Schlepper sind indes festgenommen worden. Sie waren an Bord von zwei italienischen Frontex-Schiffen im sizilianischen Pozzallo eingetroffen. Dabei handelt es sich um den bereits 2004 wegen Schlepperei festgenommenen Kapitän eines Fischerbootes, das mit rund 450 Migranten von Libyen abgefahren war, und um zehn Crewmitglieder.

Ihnen wird unter anderem der Tod von vier der 30 Migranten vorgeworfen, die am Freitag angesichts der Frontex-Schiffe, die sie an Bord nehmen wollten, ins Meer gesprungen und dabei ertrunken waren, berichtete die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Ragusa. Bei den Toten handle es sich um drei Männer und einen Minderjährigen, sagte Flavio Di Giacomo, Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM) am Montag. Die Festgenommenen sind zwei Syrer, zwei Tunesier, ein Algerier und sechs Ägypter.
 

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