Umweltkatastrophe

Ölpest: Das große Tiersterben beginnt

Teilen

An den Stränden von Mississippi eröffnet sich ein grausiges Bild. Die Schuld an der Umweltkatastrophe gibt US-Präsident Obama dem Ölkonzern BP. Der Schaden liegt bei 10,5 Mrd. Euro.

Leichter Benzingestank weht über das Einsatzzentrum der Helfer, die gegen die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko kämpfen. Im Fischerdorf Venice, 100 Kilometer südlich von New Orleans im Bundessaat Louisiana, bereiten sich Hunderte Helfer auf den Einsatz im „Ground Zero“ des schlimmsten US-Öl-Desasters vor.

Lesen Sie hier: ÖSTERREICH-Reporter Herbert Bauernebel berichtet live vor Ort von der großen Katastrophe!

Massentiersterben beginnt
"Ich hoffe, dass die See heute nicht zu rau ist“, sagt Helfer Joe. Am Samstag hatten sie umkehren müssen. Die Teams haben auch Spezialisten an Bord, die sich sofort um verletzte Tiere kümmern können. Das Sumpfgebiet des Mississippi-Deltas gilt als Naturwunder - in dem Labyrinth schilfverwachsener Wasserwege leben rund 400 Tierarten. Tom McKenzie, US-Fischereiamt: „Wir haben hier unzählige Vögel, die ihre Nester bauen, Tausende Delfine bekommen gerade ihre Junge.“ Millionen Tiere sind nun akut bedroht.

Am Montag wurden wieder zahlreiche tote Tiere an den Stränden angeschwemmt. Allein auf dem Strandabschnitt zwischen Biloxi und Bay St. Louis wurden mindestens 20 tote Meeresschildkröten gesichtet. Andernorts wurden ganze Schwärme verendeter Fische angespült. Das Massentiersterben hat begonnen.

Fisch-Verzehr gefährlich für Menschen?
Die US-Meeresschutzbehörde NOAA erließ ein weitreichendes Fischfangverbot für das betroffene Gebiet. Vom Mississippi-Delta bei New Orleans bis zur Pensacola-Bucht in Florida darf ab sofort kein Fisch mehr gefangen werden, das 17.500 Quadratkilometer Seegebiet wurde für mindestens zehn Tage für die Fischerei gesperrt.

Wissenschafter sollen prüfen, ob der Verzehr von Fischen und Meeresfrüchten noch sicher ist. Die Fischer im Golf von Mexiko haben dennoch alle Hände voll zu tun: Sie bemühen sich, die wichtigsten Fischgründe mit aufblasbaren Barrieren vor Öl zu schützen.

Naturschützer: "Das ist Amerikas Tschernobyl“
Auf Satellitenbildern sieht man, dass sich der Ölteppich allein am Samstag verdreifacht hat. Die Bereiche mit der dicksten Ölschicht sind so groß wie Costa Rica. "Der Ölteppich wächst weit schneller, als wir zunächst dachten“, sagt Meeresexperte Hans Graber von der Uni in Miami. Experten befürchten, dass die Ölpest vom Golfstrom die ganze US-Ostküste entlang hinaufgeschwemmt werden könnte. Dann droht ein "Desaster epischer Dimensionen“, meinen US-Medien. Und Louie Miller vom "Sierra Club“: "Das ist Amerikas Tschernobyl.“

Die Fischer fürchten um ihre Existenz: "Zuerst wurden wir von Hurrikan Katrina fast ausgelöscht – und jetzt macht uns die Ölpest komplett den Garaus“, wettert Steven Cage. Nachsatz: "Wer soll jetzt noch unsere Garnelen kaufen?“ Und dem Öl-Multi BP glaubt hier niemand. Fischer und Anrainer haben ihre eigene Theorie: Das Sicherheitsventil am Meeresboden sei bei der Explosion noch gar nicht richtig installiert gewesen – und versagte deshalb. "Die Reparaturmaßnahmen mit den Tauchrobotern“, so Fischer Mardse, sei nur "eine Farce“.

Bisher sind schon 34 Mio. Liter Öl ausgetreten
Aus mehreren Lecks in der nun komplett verbogenen Bohrleitung sprudelt das Rohöl. Laut Experten soll die Säuberung des Meeres mindestens drei Monate in Anspruch nehmen.

Laut Schätzungen sollen bisher aus der am 20. April gesunkenen Ölplattform sage und schreibe 34 Millionen Liter Öl ausgetreten sein - fast so viel wie bei der Exxon-Valdez-Katastrophe vor Alaska.

Obama in der Krisenregion
Sonntagabend ist US-Präsident Barack Obama zu einer Kurzvisite ins Krisengebiet rund um Venice gereist – fast zwei Wochen, nachdem die Bohrinsel "Deepwater Horizon“ explodierte und sich der Öl-Teppich schneller als erwartet der Küste nähert.

Obama befürchtet die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte des Landes. "Wir haben es hier mit einer gewaltigen und möglicherweise beispiellosen Umweltkatastrophe zu tun", sagte er bei einem Besuch im betroffenen Küstenstaat Louisiana. Obama hatte BP am Sonntag ausdrücklich als Verantwortlichen für den Unfall auf der Bohrinsel genannt: "BP ist für dieses Leck verantwortlich. BP wird die Rechnung begleichen." Es komme nun darauf an, alles zu tun, um die Krise zu beenden, betonte er bei seinem Besuch in Louisiana.

Den Bewohnern sicherte er umfassende Hilfe zu: "Ihre Regierung wird tun, was immer nötig ist und solange es nötig ist, um diese Krise zu beenden." Vor dem Besuch hatte es Kritik gegeben, Obama und die Regierung hätten nicht rasch genug auf die Katastrophe reagiert. BP kündigte daraufhin am Montag die Übernahme aller Kosten an.

Einsatz gegen Ölteppich kostet 6,5 Mio. Dollar täglich
Die Kosten steigen nach Angaben des Konzerns täglich. "Es ist zu früh, um eine Summe abzuschätzen", sagte ein BP-Sprecher am Montag in London. Es sei auch unklar, welche Schadenersatzforderungen auf BP zukämen. Derzeit koste der Einsatz gegen den Ölteppich etwa 6,5 Millionen Dollar (4,9 Millionen Euro) täglich.

"Der Betrag steigt mit jedem Tag", erklärte der Sprecher. BP werde "alle legitimen Forderungen wegen Schäden und Verlusten bezahlen, die objektiv überprüft werden können und mit der Ölpest zusammenhängen". Experten schätzen die Gesamtkosten auf bis zu 14 Milliarden Dollar (10,51 Mrd. Euro). Allein für die Reinigung verschmutzter Küsten und Meeresregionen würden sieben Milliarden Dollar (5,26 Mrd. Euro) benötigt.

Ölpest: "Obamas Katrina“
Zynisch wird die Ölpest schon "Obama’s Katrina“ genannt – in Erinnerung an US-Präsident George Bush. Vor mittlerweile fünf Jahren hat Bush viel zu spät auf den schrecklichen Wirbelsturm "Katrina“ reagiert – es dauerte Wochen, bis er sich in der Krisenregion zeigte. Auch Obama’s Krisenmanagement wird schon als gescheitert bezeichnet.

Die Bewohner von Venice sind trotz Präsidentenvisite zurückhaltend. "Das lässt mich völlig kalt. Was hat er schon zu sagen? Hat er etwa Geld, um etwas zu unternehmen?“, sagt ein Fischer. Resignation pur.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.