Ukraine-Gipfel

Feuerpause vor Friedens-Gipfel

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Beim Vierertreffen in Minsk soll ein Ukraine-Waffenstillstand ausgehandelt werden.

Zittern um die letzte Chance: 10.000 Menschenleben hat der Konflikt in der Ostukraine bisher gefordert, Millionen sind auf der Flucht, ein ganzer Landstrich ist zerstört. Allein in den vergangenen Tagen starben Dutzende Menschen (siehe unten).

Kann Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel das Ruder im letzten Moment doch noch herumreißen? Sie ist die Schlüsselfigur bei den Friedensbemühungen.

Heute will sie beim Vierergipfel in Minsk (Weißrussland) einen dauerhaften Waffenstillstand aushandeln. Gute Vorzeichen dafür gab es Dienstag. Laut lokalen Medien sollen Rebellen eine Feuerpause vereinbart haben. Und US-Präsident Barack Obama telefonierte mit Russlands Präsident Wladimir Putin: Sollte Russland mit seinen "aggressiven Handlungen" in der Ukraine fortfahren, "werden die Kosten für Russland steigen", warnte Obama.

Scheitert das Vierergespräch, "drohen Eskalation und eine dramatische Ausweitung des Konflikts auf andere Regionen", befürchtet Russlandexperte Gerhard Mangott in ÖSTERREICH. Mit Kanzlerin Merkel (60) werden heute die wichtigsten Player am Tisch sitzen:

  • Russlands Präsident Wladimir Putin (62).
  • Der Staatschef der Ukraine, Petro Poroschenko (49).
  • Frankreichs Präsident François Hollande (60).


Putin verlangt allerdings, dass auch die prorussischen Rebellen mitverhandeln können. Angela Merkel hat in der vergangenen Woche einen weltweiten Vermittlungsmarathon hingelegt:

  • Erst verhandelte sie gemeinsam mit Hollande in Kiew mit den Ukrainern.
  • Dann reiste sie mit Hollande zu Putin nach Moskau.
  • Schließlich hat sie sich noch vorgestern mit US- Präsident Barack Obama in Washington beraten.


Ihr Ziel ist klar: Sie will eine diplomatische Lösung, keine Waffenlieferungen an die Ukraine und einen Waffenstillstand.

Anders denkt Kremlchef Putin: "Er möchte verhindern, dass die Ukraine der NATO beitritt. Das wäre für ihn eine Niederlage, die er sich nicht erlauben darf", sagt Experte Mangott. Und: "Putin will zwar keinen Krieg. Wenn aber nicht nach seinen Regeln gespielt wird, will er auch den Frieden nicht."

Er verlangt, dass die Ukraine bündnisfrei bleibt: "Wir können garantieren, dass Russland an einer unabhängigen Außenpolitik festhält", erklärte er.

Karl, Wendl

Russland-Experte Gerhard Mangott: "Merkel ist für Putin die Schlüsselfigur"

ÖSTERREICH: Der Vierergipfel von Minsk wird als letzte Chance für einen Frieden in der Ukraine bewertet …
Gerhard Mangott: Es steht sehr viel auf dem Spiel. Schließlich wirft Kanzlerin Merkel ihr ganzes Prestige in die Verhandlungen. Scheitert der Gipfel, wird es wohl keine weiteren Bemühungen mehr geben. Merkel ist die absolute Schlüsselfigur. Sie ist auch die wichtigste Person für Putin. Nur sie kann ihn wirklich bewegen, einzulenken.

ÖSTERREICH: Will Russland einen Krieg?
Mangott: Moskau möchte etwas anderes als Merkel und Hollande – der Westen will den Frieden. Putin aber versucht, ein Zu­standekommen der Westeinbindung der Ostukraine zu verhindern. Er möchte, dass die Ukraine ein neutraler Pufferstaat bleibt und kein NATO-Land wird. Für ihn ist der Konflikt somit nur ein Mittel zum Zweck. Merkel und Hollande wollen die Befriedung des Konfliktes, um das Land an den Westen zu binden.

ÖSTERREICH: Ist der Konflikt militärisch zu lösen?
Mangott: Putin darf nicht verlieren, er will sein Ziel unbedingt erreichen. Scheitert der Gipfel, wird die Lage eskalieren und sich deutlich ausbreiten. Waffenlieferungen aus dem Westen würden die Lage noch verschlimmern – Moskau könnte dann sagen, schaut her, unsere russischen Brüder in der Ukraine werden mit US-Waffen ermordet.

Ukraine-Krise trifft Raiffeisen

Feuerpause vor Friedens-Gipfel
© Raiffeisen

Wie dramatisch die Situation innerhalb eines Jahres drehen kann, zeigt das Ergebnis der Raiffeisen Bank International (RBI) für 2014: Das Institut musste am Montagabend den ersten Verlust seiner Geschichte bekannt geben, und das gleich in Höhe einer knappen halben Milliarde (493 Mio. Euro). Vor einem Jahr waren es noch 557 Mio. Euro Gewinn.

1,7 Mrd. Euro für faule ­Kredite, Großteil in Ukraine
Schuld am massiven Einknicken der RBI sind in erster Linie die Krise in der Ukraine und in Russland, außerdem Probleme in Ungarn. Die Situation in der Ukraine habe „beträchtliche Auswirkungen“ auf die Bankbilanz 2014, erläuterte RBI-Chef Karl Sevelda am Dienstag. Auch der Verfall des Rubels ­mache sehr zu schaffen.

Nummer 5 in Ukraine
Ein großer Teil der RBI-Verluste 2014 betrifft Abschreibungen und Wertberichtigungen in der Ukraine (–290 Mio. Euro nach Steuern). Raiffeisen ist mit der Tochter Bank Aval die fünftgrößte Bank in der Ukraine mit ursprünglich knapp 800 Filialen. In der Ostukraine mussten 80 Standorte zugesperrt werden. Die 32 Filialen auf der Krim wurden verkauft. Insgesamt musste die RBI 1,7 Mrd. Euro für faule Kredite zurücklegen. In der Ukraine beträgt ihr Anteil 46 Prozent.

Gewinn in Russland
Russland war stets die Cashcow der RBI. Auch 2014 machte die Bank hier einen Gewinn von 342 Mio. Euro. Im Jänner 2015 wurden laut Sevelda 30 Mio. Euro verdient. „Wir bleiben in Russland“, bekräftigte Sevelda. Aber: „Wir können die Verschlechterung des Umfelds nicht ausblenden.“ Und hinsichtlich der Ukraine habe er „große Sorge“, es bleibe 2015 dort schwierig für die Bank.

Raiffeisen geht jetzt auf Schrumpfkurs in Osteuropa
Verkäufe. Die RBI zieht ins­gesamt die Notbremse, ver­abschiedet sich von einigen Märkten im Osten. Verkauft werden die Töchter in Polen und Slowenien sowie die Direktbank Zuna (ist in Tschechien und der Slowakei aktiv). Auch aus Asien und den USA verabschiedet sich die RBI. In Russland soll das Risiko bis 2017 um 20 Prozent zurückgefahren werden, in der Ukraine um 30 Prozent. Damit sowie mit weiteren „Optimierungen“ und Kostensenkungen stärke sich die RBI wieder.

Dividende für das Verlustjahr 2014 gibt es keine. Boni für das Management auch nicht.

Angela Sellner

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