Demonstranten stürmten Ministerien

Schüsse und massive Krawalle nach Explosion in Beirut

Teilen

Während den Protesten kam es auch zu Schüssen. Es gibt mindestens 110 Verletzte. Unterdessen kündigte der libanesische Regierungschef vorgezogene Neuwahlen an.

Wütende Demonstranten haben am Samstag das Außenministerium in der libanesischen Hauptstadt Beirut gestürmt. Von ehemaligen Armeeoffizieren angeführte Protestierende drangen in das Gebäude ein und erklärten es zum "Hauptquartier der Revolution", wie in Live-Aufnahmen örtlicher Fernsehsender zu sehen war.

Auch der Sitz des libanesischen Bankenverbandes wurde gestürmt. Wütende Demonstranten legten Feuer, bevor sie von der Armee zurückgedrängt und die Flammen gelöscht wurden, wie ein AFP-Fotograf beobachteten.

Zuvor waren tausende Menschen durch die Stadt marschiert, um nach der Explosionskatastrophe vom Dienstag gegen die Regierung zu protestieren. Bei den Protesten gegen die Regierung fielen auch Schüsse. Dies bestätigte die Polizei der Nachrichtenagentur Reuters nachdem am Samstag entsprechende Geräusche im Zentrum der libanesischen Hauptstadt zu hören waren. Die Umstände waren zunächst unklar.

Vorgezogene Neuwahlen

Der libanesische Ministerpräsident Hassan Diab will Neuwahlen beantragen. Dies sei der einzige Weg, um die tiefe Krise des Landes zu überwinden, erklärt er. Diab wies eine Verantwortung für die wirtschaftlichen und politischen Probleme des Landes zurück.
 

Beirut
© STR / AFP
× Beirut


Auf Fernsehaufnahmen waren mehrere blutende Menschen zu sehen, nachdem die Polizei Gummigeschosse und Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt hatte. Diese hatten versucht, auf den Parlamentsplatz vorzudringen.

Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten wurden mindestens 110 Menschen verletzt. 32 von ihnen seien in umliegende Krankenhäuser gebracht worden.

Die Beiruter gingen auf die zerstörten und mit Trümmern übersäten Straßen, um ihrer Wut auf die politische Elite Luft zu machen. "Rache, Rache bis zum Sturz des Regimes", skandierten sie. Viele Demonstranten hielten Flaggen oder Fotos von Unglücksopfern in die Höhe.

 



Vereinzelt schwenkten Protestierende auch Schlingen, auf dem Märtyrer-Platz im Zentrum von Beirut waren bereits am Freitag hölzerne Guillotinen errichtet worden. Protestaufrufe in Onlinenetzwerken wurden mit dem Hashtag #HangThem (#HängtSie) versehen. Sicherheitskräfte versuchten die Demonstranten auf dem Weg zum Parlamentsgebäude zurückzudrängen, die Polizei setzte Tränengas gegen Steinewerfer ein.

Viele Libanesen, die der politischen Elite schon seit langem Korruption und Unfähigkeit vorwerfen, machen die Regierung für die verheerenden Explosionen am Dienstag mit mehr als 150 Todesopfern verantwortlich. Der Libanon steckt schon seit Jahren in einer schweren Wirtschafts- und Währungskrise, die durch die Corona-Pandemie noch verschärft wurde.

 

 



"Wir können es nicht mehr ertragen. Wir werden als Geiseln gehalten, wir können das Land nicht verlassen, wir können unser Geld nicht von den Banken abheben. Die Menschen hungern, es gibt mehr als zwei Millionen Arbeitslose", beklagte die Demonstrantin Médéa Azoury. "Und jetzt ist Beirut durch Fahrlässigkeit und Korruption vollständig zerstört worden."

Am Dienstag hatten zwei gewaltige Explosionen den Hafen von Beirut erschüttert. Nach Regierungsangaben waren 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, die jahrelang ungesichert in einer Halle im Hafen lagerten. Die Ursache der Explosionen ist noch unklar. 21 mutmaßliche Verantwortliche wurden festgenommen.

Die Zahl der Todesopfer der Explosionen stieg am Samstag nach Angaben des Gesundheitsministeriums auf 158, die der Verletzten auf mehr als 6.000. 21 Menschen werden demnach noch vermisst.

Nach der Explosionskatastrophe von Beirut hat das Deutsche Rote Kreuz 43 Tonnen Hilfsgüter in die libanesische Hauptstadt geflogen. Ein Airbus mit der Fracht hob am Samstag auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld ab und sollte in der Nacht in Beirut landen. Nach Angaben des DRK umfasst die Hilfslieferung Verbandsmaterialien, Decken, Erste-Hilfe-Sets und Werkzeuge für den Bau von Notunterkünften.

Am Sonntag wollen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die Vereinten Nationen gemeinsam eine Geberkonferenz für den schon zuvor von einer Wirtschafts- und Finanzkrise sowie der Corona-Pandemie geplagten Libanon ausrichten. Auch US-Präsident Donald Trump kündigte seine Teilnahme an der Videokonferenz an, die Gelder für den Wiederaufbau von Beirut sammeln soll.

Aus Österreich wird laut Außenministerium kein Vertreter an der Konferenz teilnehmen. Die EU sei durch EU-Ratspräsident Charles Michel und den Ratsvorsitzenden deutschen Außenminister Heiko Maas vertreten, hieß es am Samstag auf APA-Anfrage.
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.