"Tag der Abrechnung"

So will sich May zum Brexit tricksen

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Am Freitag legt die Premierministerin dem Unterhaus zum dritten Mal ihren Brexit-Deal vor.

Die britische Premierministerin Theresa May will am heutigen Freitag mit einem abgespeckten Brexit-Vertrag die Zustimmung des Unterhauses für den Austritt aus der Europäischen Union erreichen. Doch voraussichtlich werden ihr zu viele konservative Abgeordnete abermals die Gefolgschaft verweigern - und das an dem Tag, an dem der Brexit ursprünglich hätte stattfinden sollen.

Zwar könnten einige Brexit-Hardliner angesichts des Zeitdrucks Mays Deal in letzter Minute doch noch stützen, aber das dürfte britischen Medien zufolge für die Annahme des Vertrags wahrscheinlich nicht reichen. Dabei hatte May sogar ihren Rücktritt angeboten, sollte das Abkommen im Parlament doch noch eine Mehrheit finden.

May werde wahrscheinlich scheitern, verlautete dem Sender Sky zufolge aus Regierungskreisen. "Wenn wir die Abstimmung heute nicht gewinnen, dann stehen wir am 12. April am Abgrund", warnte Handelsminister Liam Fox. Bis dahin hat die EU Großbritannien bereits einen Aufschub gewährt. Die Abstimmung wurde für den Nachmittag erwartet. Britische Medien sprachen bereits von einem "Tag der Abrechnung".

Die Abgeordneten sollen ihr Votum über den 585 Seiten starken Ausstiegsvertrag abgeben, jedoch nicht über die dazugehörige 26 Seiten lange politische Erklärung über die künftigen Beziehungen. Nach Darstellung der Regierung sollen damit die mit der EU ausgehandelten Bedingungen für eine Verschiebung des Brexit-Termins bis zum 22. Mai erfüllt werden, ohne das Abkommen als Ganzes ratifizieren zu müssen. "Es ist tatsächlich die letzte Chance, die wir haben, für einen Brexit zu stimmen, so wie wir ihn verstehen", sagte Fox. "Ich habe wirklich Angst, dass wir niemals einen Brexit haben werden."

Mit ihrem Rücktrittsangebot will May die Kritiker in den eigenen Reihen bewegen, den Widerstand gegen ihre Vereinbarung aufzugeben. Doch etliche konservative Abgeordnete haben bereits angekündigt, sie würden erneut gegen Mays Vorlage stimmen. Dieser Vertrag bedeute in letzter Konsequenz einen Verbleib in der EU, sagte der Abgeordnete Mark Francois dem Hörfunksender LBC. Eine Zustimmung käme einer "Kapitulation" gleich. Sein Parteifreund Bill Cash ist davon überzeugt, dass "genügend" seiner Kollegen im Parlament Mays Vereinbarung ablehnen werden.

Ende dieser Sitzungswoche läuft eine von der EU gesetzte Frist ab, bis zu der in London zumindest der Brexit-Vertrag gebilligt sein muss. Fehlt die Zustimmung, droht zum 12. April ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen oder eine sehr lange Verschiebung des Brexits.

Auch die nordirische Partei DUP, auf deren Mandate Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, hat ihr Nein zum Ausstiegsvertrag angekündigt. DUP-Vize-Chef Nigel Dodds dämpfte in der BBC zugleich Sorgen, es könne zu einem harten Brexit kommen. Es bestehe nun die Möglichkeit eines Brexits, bei dem Großbritannien und die EU enger miteinander verbunden blieben.

Die Analysten von Goldman Sachs halten einen EU-Austritt Großbritanniens mit einer leicht modifizierten Variante des aktuellen Brexit-Vertrags mit der EU für das wahrscheinlichste Szenario. Die Chance dafür beziffern sie auf 50 Prozent. Für einen Abschied ohne Vertrag beziffern sie die Wahrscheinlichkeit auf 15 Prozent, die für einen Rückzug vom Brexit auf 35 Prozent.

Der Sprecher des Unterhauses, John Bercow, wies unterdessen Vorwürfe zurück, er wolle durch Verfahrenstricks den Brexit verhindern. "Ich bin nicht - ich wiederhole: nicht - parteiisch", sagt er dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". Bercow zog Kritik auf sich, als er May mit Verweis auf eine jahrhundertealte Regelung untersagte, ihre Brexit-Vereinbarung unverändert ein drittes Mal dem Parlament vorzulegen. Bercow sagt zudem, er wolle nicht in wenigen Monaten sein Amt aufgeben. Dafür sei jetzt "sicherlich nicht die Zeit".
 

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