Rückführung

Sonderflug brachte Migranten von Belarus zurück in den Irak

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EU lehnt Verhandlungen mit Lukaschenko ab.

Ein erster Sonderflug mit irakischen Migranten an Bord ist am Donnerstag in Belarus gestartet. Die Maschine mit Ziel Bagdad hob am Nachmittag vom Flughafen in Minsk ab, wie der Airport auf seiner Internetseite mitteilte. Nach Angaben der Führung in Minsk befinden sich derzeit rund 7.000 Migranten in Belarus. 2.000 davon seien an der Grenze zu Polen, sagte am Donnerstag Präsidenten-Sprecherin Natalja Ejsmont. Sie erwähnte gleichzeitig ein Kompromissangebot für die EU.

Minsk sei bereit, 5.000 Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückzuschicken, sollte die EU ihrerseits 2.000 Migrantinnen und Migranten aufnehmen, zitierte Ejsmont die staatliche Nachrichtenagentur BelTA. Präsident Alexander Lukaschenko habe diesen Vorschlag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel besprochen.

Sonderflug brachte Migranten von Belarus zurück in den Irak
© AFP / IRAQI MINISTRY OF TRANSPORTATION
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Nach offiziellen Angaben aus dem Irak war am Donnerstag die Rückführung von 430 Irakern geplant, die in Belarus gestrandet waren. Sie sollten mit einem Evakuierungsflug zurück in den Irak gebracht werden, teilte ein Sprecher des Außenministeriums in Bagdad mit. Mitarbeiter des irakischen Konsulats hätten in Belarus außerdem 50 weitere Menschen registriert, die in den Irak zurückkehren wollten, hieß es laut einem Bericht der Staatsagentur INA.

Sonderflug brachte Migranten von Belarus zurück in den Irak
© Andrei POKUMEIKO / BELTA / AFP
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EU droht mit Sanktionen

Um zu verhindern, dass Migranten zur Weiterschleusung in die EU nach Belarus gebracht werden, hatte die Europäische Union zuletzt harte Sanktionen auch gegen ausländische Fluggesellschaften angedroht. Daraufhin verfügte zum Beispiel die Türkei, dass Staatsbürger mehrerer arabischer Länder nicht mehr vom türkischen Staatsgebiet aus nach Belarus fliegen dürfen. Auch Usbekistan in Zentralasien hatte laut Medienberichten einen solchen Schritt angekündigt.

Die EU lehnte am Donnerstag Verhandlungen mit Belarus über die Notlage der Migranten an der Grenze zu Polen und den baltischen Staaten ab. "Es kommt nicht in Frage, mit dem Lukaschenko-Regime zu verhandeln", sagte der Sprecher der Europäischen Kommission, Eric Mamer, am Donnerstag. Gesprächspartner seien vielmehr das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen, UNHCR, und die Internationale Organisation für Migration (IOM), um die Rückführung von Menschen, die sich an der Grenze befinden, zu erleichtern. "Das steht im Mittelpunkt der Gespräche und natürlich auch weiterhin, den Menschen an der Grenze Hilfe zu ermöglichen."

Am Vortag hatte die EU Hilfslieferungen für die in Belarus festsitzenden Migranten angekündigt. In einem ersten Schritt sollen Nahrung, Decken und andere Güter im Wert von 700.000 Euro in die Region an der Grenze zu Polen gebracht werden.

Polen rief unterdessen die EU zu einem entschlossenen Grenzschutz auf. "Wenn wir nicht in der Lage sind, jetzt Tausende Zuwanderer fernzuhalten, dann werden es bald Hunderttausende sein, Millionen, die Richtung Europa kommen", sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki der "Bild"-Zeitung. Sein Land beweise derzeit am Grenzzaun zu Belarus, dass effektiver Grenzschutz möglich sei. "Kaum jemand kommt durch, obwohl es jede Nacht und jeden Tag Tausende versuchen."

100 Migranten festgenommen

Nach Angaben des polnischen Verteidigungsministeriums versuchte in der Nacht auf Donnerstag eine Gruppe von rund hundert Migranten vergeblich, in der Nähe der Ortschaft Dubicze Cerkiewne die Grenze nach Polen zu durchbrechen. Belarussische Uniformierte hätten dabei zunächst die Lage erkundet und vermutlich die Grenzbefestigung beschädigt, teilte das Ministerium per Twitter mit.

Belarus meldete am Donnerstag einen ersten Corona-Fall in der Migranten-Notunterkunft nahe der polnischen Grenze. In der zum Schlaflager umfunktionierten Logistikhalle sei ein Mensch erkrankt, meldete die belarussische Staatsagentur BelTA unter Berufung auf einen Behördenvertreter aus der Region Grodno. Der Erkrankte sei in ein Krankenhaus gebracht worden.

In der am Dienstag eröffneten Unterkunft schliefen in den vergangenen beiden Nächten Hunderte Menschen auf engstem Raum auf dem Boden. Weil Regen droht, wurden nun in der oberen Etage noch weitere Migranten untergebracht. Immer mehr Menschen verlassen das Waldstück direkt an der Grenze zu Polen, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete.

In der Halle hielten sich demnach am Donnerstagnachmittag bereits rund 2.000 Menschen auf. Corona-Schutzauflagen gibt es dort kaum, fast niemand trägt eine Maske. Die Hygienebedingungen sind schlecht. Dmitri Schewzow, Generalsekretär des belarussischen Roten Kreuzes, sagte der dpa, dass alle Menschen in der Unterkunft Platz finden könnten, die in den vergangenen Tagen im Grenzgebiet kampiert hatten.

Um Polen für die Bemühungen zur Abwehr organisierter Migrationsbewegungen aus Belarus zu danken, reiste der deutsche Innenminister Horst Seehofer nach Warschau. "Ohne wirksamen Außengrenzschutz stellt sich Europa selbst in Frage", sagte der geschäftsführende Minister der Deutschen Presse-Agentur vor seinem Abflug am Donnerstag. Polen handle "seit Wochen zutiefst europäisch". Deshalb stehe Deutschland "fest an der Seite Polens".

Morawiecki zufolge sollte insbesondere Deutschland ein besonderes Interesse daran haben, die EU-Außengrenze am Mittelmeer und im Osten vor Zuwanderung zu schützen. Zudem forderte Morawiecki von der neuen deutschen Bundesregierung laut "Bild" einen sofortigen Stopp der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2. "Wir verteidigen hier in Polen die EU-Grenze. Und wenn wir über das größere Bild sprechen: Lasst uns gemeinsam für Frieden arbeiten und nicht Wladimir Putin durch Energiezahlungen Extra-Geld geben, damit er weiter aufrüsten kann."

Die Außenminister der führenden Industriestaaten-Gruppe (G7) kritisieren den Umgang der belarussischen Regierung mit Migranten an ihren Landesgrenzen. Dies müsse sofort ein Ende haben, heißt es am Donnerstag in der Erklärung des britischen G7-Vorsitz. "Diese rücksichtslosen Handlungen gefährden das Leben der Menschen." Man fordere die Regierung um Lukaschenko auf, die "aggressive und ausbeuterische Kampagne unverzüglich einzustellen, um weitere Tote und Leid zu verhindern."

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