Verbliebene Menschen werden beschossen und drangsaliert.
Die verbliebenen Zivilisten im belagerten Ostteil von Aleppo werden ungeachtet einer von Russland verkündeten Feuerpause weiter beschossen. "Mehrere belagerte Gebiete" der Großstadt seien am Freitag mit Artilleriegeschützen angegriffen worden, teilte die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.
Die UNO beklagte, einerseits würden Zivilisten von Aufständischen an der Flucht aus Aleppo gehindert, andererseits gebe es "sehr besorgniserregende" Hinweise darauf, dass Hunderte Männer nach der gelungenen Flucht unauffindbar seien.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Rudskoj sagte, die syrische Armee habe mittlerweile 93 Prozent von Ost-Aleppo eingenommen. In den vergangenen 24 Stunden hätten 12.500 Menschen Ost-Aleppo verlassen, darunter 4000 Kinder. 30 Aufständische hätten die Waffen niedergelegt.
Von den jüngsten Angriffen besonders betroffen war nach den Informationen der Beobachtungsstelle das Stadtviertel Bustan al-Qasr. Auch ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete von Gefechtslärm in der Nacht. Das von Aufständischen kontrollierte Gebiet ist innerhalb weniger Tage stark geschrumpft.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow lehnte am Freitag eine Einstellung der Luftangriffe auf die noch von Rebellen kontrollierten Gebiete ab. "Die Angriffe werden so lange weitergehen, wie noch Banditen in Aleppo sind", sagte Lawrow am Rande des OSZE-Ministerrats in Hamburg. Lawrow relativierte seine Ankündigung vom Donnerstagabend zu einer begrenzten Feuerpause. Er sprach nun von einer "humanitären Unterbrechung" der Angriffe. Ziel sei gewesen, "dass Zivilisten die Stadt verlassen konnten, die dies wollten". Von einer Einstellung der Kampfhandlungen sei nie die Rede gewesen. Russland unterstützt das syrische Regime im Kampf gegen Rebellen.
Lawrow kritisierte, die USA verträten in den Verhandlungen mit der russischen Regierung zu Syrien eine seltsame, widersprüchliche Position. Er sehe dennoch weiter gute Chancen für eine Einigung mit den USA. Voraussetzung sei aber, dass diese sich an einem Militärexperten-Treffen zu Aleppo am Samstag in Genf beteiligten.
Aleppo war früher eine blühende Wirtschafts- und Kulturmetropole, geriet dann aber in den Mittelpunkt des Bürgerkriegs. Die seit Jahren umkämpfte Stadt war bis vor kurzem in einen von der Regierung kontrollierten Westen und einen von Aufständischen gehaltenen Osten geteilt. Mitte November startete die syrische Führung eine neue Großoffensive, um Aleppo vollständig zurückzuerobern.
Es gebe "sehr besorgniserregende" Angaben, wonach Hunderte Männer aus Aleppo vermisst würden, nachdem sie in von Regierungstruppen kontrollierte Gebiete geflohen seien, sagte der Sprecher des UNO-Menschenrechtshochkommissariats, Rupert Colville. Zugleich gebe es Hinweise, dass Zivilisten von syrischen Aufständischen daran gehindert würden, den umkämpften Osten Aleppos zu verlassen. Verantwortlich sei die Fateh-al-Sham-Front, die frühere Al-Nusra-Front.
Zum Tag der Menschenrechte am morgigen 10. Dezember erinnerte das Internationale Komitee vom Rote Kreuz (IKRK) gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen in einer Aussendung an das Recht verletzter und kranker Menschen, vor Kriegshandlungen geschützt zu werden. Die Initiative "Health Care in Danger" fordert den Schutz von medizinischem Personal, Patienten und Gesundheitseinrichtungen. Dazu zählt auch die Evakuierung von Verwundeten und Kranken aus umkämpften Gebieten wie aktuell in Aleppo. In der Nacht auf Donnerstag sei es erstmals gelungen, 150 medizinische Notfälle aus der Stadt in Sicherheit zu bringen.
Bei Angriffen der türkischen Armee und syrischer Rebellen auf die vom IS kontrollierte Stadt Al-Bab im Norden Syriens sind unterdessen mindestens zwölf Menschen getötet worden. Zehn Menschen seien durch Artillerie und Luftschläge verletzt worden, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, die Luftwaffe habe in Nordsyrien zehn Ziele der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) beschossen. Dabei habe es sich unter anderem um Verstecke und Lager gehandelt. Opfer erwähnte Anadolu nicht. Die türkische Armee und Rebellen hätten zuvor eine neue Offensive auf Al-Bab begonnen, erklärten die Menschenrechtler. Anadolu zufolge verlegte Ankara weitere 300 Soldaten an die Grenze. Die Türkei bekämpft in Syrien neben dem IS auch die Kurdenmiliz YPG, die eng mit der verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei verbunden ist.