"Wir sind eine freie Nation" - Gegner des EU-Austritts hielten Mahnwachen ab.
Großbritannien vollzog in der Nacht zum Samstag den Brexit und trat nach 47 Jahren aus der Gemeinschaft aus. Vor dem britischen Parlament brachen um 23.00 Uhr (Ortszeit) Tausende Menschen in Jubel aus, schwenkten den Union Jack und riefen: "Freiheit!" Ein Brexit-Befürworter hatte zuvor im Zentrum Londons eine EU-Flagge in Brand gesteckt, doch im Allgemeinen war die Stimmung feierlich.
Als der Countdown auf 0 sprang, ertönte über dem Parlamentsvorplatz der Big Ben - wegen Renovierungsarbeiten an der Glocke allerdings nur vom Band. Tausende Menschen sangen die britische Nationalhymne "God save the Queen", ließen Luftballons in den Nachthimmel steigen und fielen sich in die Arme. "Es ist absolut fantastisch", freute sich die 65-jährige Karen Ollerton, die eigens aus dem Norden des Landes angereist war.
Auch der 44-jährige John Moss hatte sich den Brexit-Anhängern angeschlossen: "Wir sind eine freie Nation." Die Massenkundgebung vor dem Parlament war vom Gründer der Brexit-Partei, Nigel Farage, organisiert worden. Er sprach in der Nacht vom "wichtigsten Moment der modernen Geschichte" Großbritanniens. "Wir haben es geschafft", rief er der Menge zu. "Die Demokratie hat gesiegt."
Lange hielt die Feierlaune allerdings nicht an; nach wenigen Minuten hatten die meisten Schaulustigen genug vom Gedränge und verließen das Gelände. Und nicht überall im Land herrschte Jubelstimmung. Viele Brexit-Gegner, darunter zahlreiche der 3,6 Millionen in Großbritannien lebenden EU-Bürger, hielten mit Kerzen Mahnwachen ab. Wie gespalten die Briten auf die EU-Mitgliedschaft blickten, zeigte das Brexit-Votum im Juni 2016: 52 Prozent der Menschen stimmten damals für einen Austritt, 48 Prozent für einen Verbleib in der EU.
Das Referendum entzweite das Land und paralysierte die britische Politik. Es folgten jahrelange zähe Verhandlungen, mehrfach musste der Brexit verschoben werden. Um die zahlreichen Brexit-Gegner im Land nicht vor den Kopf zu stoßen, beging die britische Regierung den historischen Tag ohne viel Aufhebens.
Nach einer Ansprache von Premierminister Boris Johnson an die Nation am Freitagabend gab es in der Downing Street lediglich einen Empfang mit anschließender Lichtershow. Johnson hat versprochen, das Königreich wieder zu einen und in eine neue Ära des Wohlstands zu führen. Der EU-Austritt Großbritanniens sei "kein Ende, sondern ein Anfang", sagte er in seiner Ansprache und kündigte eine "neue Ära der freundschaftlichen Zusammenarbeit" mit der EU an. Der Weg, der vor Großbritannien liege, sei vielleicht holprig, der Austritt biete jedoch die Chance auf "erstaunliche Erfolge".