Kiew

Ukraine: Krieg um den Frieden

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ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl über die entscheidenden Stunden nach dem Blutbad.

Freitag, 10.40 Uhr. Ich stehe vor dem Präsidentenpalast in Kiew. Vor dem Haupteingang die Limousinen von Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier, des Polen Radosław Sikorski und des russischen Unterhändlers Wladimir Lukin. Daneben Panzer, Soldaten. Der Maidan-Platz mit Zehntausenden Demonstranten ist nur 500 Meter entfernt. „Der Präsident muss weg!“, rufen Janukowitsch-Gegner.

11.30 Uhr: Erstes Ergebnis
Die ganze Nacht haben EU-Vertreter und Janukowitsch verhandelt. Jetzt sickern erste Ergebnisse durch: Janukowitsch stimmt Neuwahlen und der Übergangsregierung zu. Auch sollen die Befugnisse des Präsidenten beschnitten werden. Die Neuwahlen sollen bis spätestens Dezember abgehalten werden.

Emotionale Achterbahnfahrt am Maidan-Platz


11.40 Uhr: Frust
Via Lautsprecher werden die Ergebnisse am Maidan-Platz verkündet. Gebannt hören die Menschen zu. Als sie von den Neuwahlen hören, senken Tausende ihre Daumen. Sergej, mein Übersetzer, sagt: „Janukowitsch ist ein Mörder. Vor 24 Stunden erschossen seine Heckenschützen 77 unschuldige Demonstranten. Jetzt sollen wir bis Dezember warten, bis er weg ist?“

12.10 Uhr: Verhandlungen
Steinmeier fährt in ein nahes Hotel. Mit Vitali Klitschko will er Dutzende Vertreter der Opposition überzeugen, den Kompromiss zu unterschreiben: „Wir sind hier, um Blutvergießen zu verhindern. Wir glauben, dass die Einigung eine Chance hat“, so Steinmeier. Die meisten kann er überzeugen, doch Zweifel bleiben. Niemand kann sagen, wie die Hardliner am Maidan regieren werden.

13.10 Uhr: Rücktritt?
Nach dem Treffen mit der Opposition fährt Steinmeier wieder in den Palast. Auf dem Maidan-Platz macht das Gerücht die Runde, Janukowitsch sei zurückgetreten. Die Menschen jubeln, zeigen das Victory-Zeichen. Der Jubel dauert nur kurz. Eine Falschmeldung. Frust macht sich breit.

Vitali Klitschko wird von Demonstranten ausgebuht

16 Uhr: Kompromiss
Die Einigung scheint fix. Aber die ukrainische Protestbewegung ist nicht homogen, es bleibt ungewiss, ob der Kompromiss hält.

20.14 Uhr: Buhs für Klitschko
Galionsfigur Vitali Klitschko tritt mit mehreren Oppositionspolitikern vor die Demonstranten. Er wird – erstmals – als „Kompromissler“ ausgebuht. Ein Redner besteigt die Bühne. Er droht: „Wenn Janukowitsch morgen nicht weg ist, stürmen wir seinen Palast!“

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