Kriegsverbrechen

Augenzeugen von Butscha: "Sie schossen ihm in den Kopf"

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Nach dem Massaker von Butscha wurden bereits mehr als 300 Leichen von Zivilisten geborgen. Erste Augenzeugen berichten über die abscheulichen Szenen.

Nach dem Massaker in der Stadt Butscha bei Kiew sind ukrainischen Medienberichten zufolge deutlich mehr als 300 Leichen von Zivilisten geborgen worden. Bis Sonntagabend seien bereits 330 bis 340 leblose Körper eingesammelt worden, schrieb die Zeitung "Ukrajinska Prawda" am Montag unter Berufung auf einen Bestattungsdienst. Am Montag wurde die Suche nach weiteren Opfern fortgesetzt. Einige Leichen seien in Hinterhöfen vergraben, hieß es. Nun berichten erste Augenzeugen von dem Massaker.

So schildert die Ukrainerin Irina Abramova (48) gegenüber der BILD, wie ihr Ehemann vor ihren Augen von den russischen Truppen erschossen wurde. “Es war der 5. März. Wir waren zu Hause in unserer Doppelhaushälfte. Plötzlich hörten wir eine Explosion: Sie zerstörten unser halbes Haus. Dann begannen sie, durch die Fenster zu schießen. ‘Kommt raus’, riefen sie.” Ihr Ehemann Oleg (40) ging hinaus und sagte: “Schießt nicht! Hier sind nur Zivilisten”. 

"Sie drückten ihn auf die Knie und schossen ihn in den Kopf"

Auch Irina verließ laut eigenen Angaben das Haus und wurde von den Russen gefragt, warum sie sich verstecke. "Ich sagte: ‘Wir haben Angst. Und ihr schießt’. Sie sagten: ‘Seht, wir sind Russen. Wir haben ein Sankt-Georgs-Band (russisches Militär-Abzeichen). Wir kommen, um euch zu befreien.'” 

Irinas Ehemann versuchte laut ihren Erzählungen inzwischen, den Brand in ihrem Haus zu löschen. “In dem Moment packten sie ihn, zogen ihm den Pullover ab, drückten ihn auf die Knie und schossen ihm in den Kopf. Dann begannen sie, mich zu verhören. Sie fragten mich: ‘Wo sind die Nazis?’“ 

Die Ukrainerin schildert den entsetzlichen Vorfall weiter: “Ich sagte ihnen, sie sollten auch mich töten. Ein Kämpfer zielte mit seiner Waffe auf mich. Ich sagte: ‘Töte mich und meine Katze’. Während er noch mit der Waffe auf mich zielte, sagte er, er würde keine Frauen töten.”

Danach begann ein Scharfschütze auf die Menschen zu schießen, so die Witwe. “Wir konnten die Stadt einen Monat lang nicht verlassen, bis die Russen abgezogen sind. Wir konnten Wasser holen. In der Stadt gab es einen Checkpoint. Sie zwangen uns, unsere Handys abzugeben. Ich habe ihnen gesagt: ‘Wir haben nichts mehr, ihr habt uns alles genommen’.” Schließlich wurden Irina und ihre Familie aus der Stadt vertrieben.

Russland spricht von "inszenierten Bildern"

 Die Bilder aus der Vorortgemeinde der Hauptstadt, wo nach dem Abzug russischer Truppen zahlreiche Leichen von Bewohnern auf den Straßen gefunden worden waren, haben international für Entsetzen gesorgt. Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich, die die Stadt bis vor kurzem besetzt hatten. Moskau bestreitet das. Die russische Botschaft in Berlin sprach beispielsweise von einer "Inszenierung des Kiewer Regimes für westliche Medien".

Am Sonntag hatte die ukrainische Seite bereits vom Fund eines Massengrabes mit etwa 280 Toten berichtet, die während der russischen Angriffe nicht würdig hätten bestattet werden können. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft kündigte eine Obduktion der Leichen an, um das Verbrechen aufzuklären. Auch internationale Ermittler sollen eingeschaltet werden. Insgesamt sollen im Kiewer Gebiet bisher die Körper von mehr als 400 toten Zivilisten geborgen worden sein.
 

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