Ukraine-Krise

Cherson: Russland setzt auf Repressionen gegen Ukrainer

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Seit der Einnahme der südostukrainischen Stadt Cherson durch russische Verbände Anfang März nimmt der Druck auf Anhänger einer ukrainischen Eigenstaatlichkeit stetig zu.

Ein Gesprächspartner der APA in der Stadt, dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden kann, berichtete am Mittwoch von sich mehrenden Hausdurchsuchungen und Festnahmen. Mit den Besatzern kollaborierende Stadtbewohner seien indes noch nicht sonderlich in Erscheinung getreten.

"In der Stadt befinden sich keine russischen Militärverbände, zu beobachten sind jedoch die russische Nationalgarde Rosgwardija sowie diverse Sondereinsatzeinheiten der russischen Polizei", schilderte der Bewohner von Cherson. Jeden Tag fänden Hausdurchsuchungen und Festnahmen statt. Menschen verschwänden teils spurlos, darunter Vater Serhij, ein Priester der ukrainisch-orthodoxen Kirche, der in der Region hohes Ansehen genieße.

Ähnliche Berichte gebe es auch aus der Umgebung von Cherson, wo etwa der Bürgermeister des Orts Hola Prystan verschleppt worden sei. In manchen Fällen sei es gelungen, festgenommene Personen von den Russen freizukaufen.

"Sie versuchen den pro-ukrainischen Widerstand gegen die Besatzer in der Stadt zu zerschlagen, glauben, dass die Demonstrationen von konkreten Personen organisiert worden sind und dass die Bewohner selbst nicht zur Selbstorganisation fähig sein", sagte der Chersoner. Er erzählte über ein "Komitee der Rettung der Ordnung", dass die Besatzer gemeinsam mit örtlichen Kollaborationisten gegründet hätten. Letztere würden von den Russen bewacht, die Aktivitäten des Komitees seien bisher jedoch nicht auffällig gewesen.

Während die Besatzer in Cherson Zivilisten getötet haben sollen, die sich während einer "strengen Ausgangssperre" durch die Stadt bewegten, gebe es im Umland der Stadt Kriegshandlungen, berichtete er. Abgesehen von Artillerieduell würden sich ukrainische Verbände aus Mykolajiw in Richtung Biloserka bewegen. Dieser Ort befindet sich zehn Kilometer westlich der Stadt.

Das mehrheitlich russischsprachige Cherson ist und bleibt bisher das einzige regionale Zentrum, das seit dem 24. Februar von russischen Truppen erobert werden konnte. In Ermangelung von ukrainischen Verbänden in der Stadt war die Besetzung der 300.000-Einwohner-Stadt in den ersten Märztagen relativ unblutig verlaufen. Gleichzeitig kam es immer wieder zu Demonstrationen gegen die russischen Besatzer, die wenig Zweifel an einer pro-ukrainischen Haltung des aktiven Teils der lokalen Bevölkerung ließen. Russland scheiterte auch deshalb mit propagandistischen Bemühungen, die Eroberung von Cherson als "Befreiung" einer von ukrainischen Nationalisten geknechteten Stadt darzustellen.

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