Knapp drei Wochen nach Beginn des Ukraine-Kriegs haben die russischen Angreifer ihren Beschuss auf mehrere umkämpfte Städte intensiviert.
Betroffen sind neben Kiew und den Vorstädten der Hauptstadt besonders Charkiw im Osten, Mariupol im Südosten und Mykolajiw im Südwesten. Auch bisher von den Kämpfen verschont gebliebene, westliche Städte werden zunehmend beschossen. In Kiew sind Mittwoch früh laut AFP-Korrespondenten erneut mehrere starke Explosionen zu hören gewesen.
Die ukrainischen Streitkräfte starten nach Angaben der Regierung in mehreren Gebieten Gegenoffensiven. Dies verändere die Lage "radikal", erklärt der ukrainische Präsidialamtsberater Mychailo Podolyak über Twitter. Details nennt er nicht.
Mehrere Detonationen
Am frühen Morgen habe es im Westen der ukrainischen Hauptstadt drei Detonationen gegeben, so die AFP-Korrespondenten. Wie bereits am Vortag, als die russischen Streitkräfte mehrere Wohnhäuser unter Beschuss genommen hatten, stiegen anschließend schwarze Rauchsäulen auf. Weitere Explosionen folgten am Vormittag. Die Behörden machten zunächst keine Angaben. Wegen einer am Dienstagabend verhängten Ausgangssperre konnten auch Medienvertreter sich nicht in der Stadt bewegen. Am Dienstagmorgen waren durch mehrere russische Angriffe mindestens vier Menschen getötet worden.
Im Osten der Ukraine dauern nach russischen Angaben auch die heftigen Gefechte um die Großstadt Sjewjerodonezk an. Einheiten der selbst ernannten "Volksrepublik Luhansk" kämpften an den Stadtgrenzen im Nordwesten, Nordosten und Osten, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Mittwoch in seinem Morgenbericht. In Sjewjerodonezk leben etwa 100.000 Menschen. Die Aufständischen im Gebiet Donezk hätten mehrere Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht, sagte Konaschenkow. Das ließ sich nicht überprüfen.
Tausende zerstörte Panzer
Die Zahl der seit Kriegsbeginn am 24. Februar zerstörten ukrainischen Panzer und gepanzerten Fahrzeuge gab Konaschenkow mit 1.353 an. Zudem seien 111 Flugzeuge, 68 Hubschrauber, 160 Drohnen und 159 Raketenabwehrsysteme getroffen worden. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte seinen Einmarsch in die Ukraine auch damit begründet, dass er das vom Westen mit Waffen ausgerüstete Land "entmilitarisieren" wolle.
In Charkiw sind nach Angaben der Regionalverwaltung seit Beginn der russischen Invasion mindestens 500 Einwohner getötet worden. Die Angaben ließen sich unabhängig nicht überprüfen. Russland dementiert, bei seinen Militäraktionen Zivilisten ins Visier zu nehmen.
Krankenhaus besetzt
Russische Truppen haben nach Angaben der ukrainischen Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk in der Hafenstadt Mariupol ein Krankenhaus unter ihre Kontrolle gebracht. 400 Patienten und Mitarbeiter würden als Geiseln gehalten. Die Soldaten hätten auf dem Klinikgelände Artillerie in Stellung gebracht und würden Schüsse abfeuern, sagt die stellvertretende Regierungschefin in einer Video-Ansprache. Ob ein Fluchtkorridor zur Evakuierung weiterer Zivilisten aus der ostukrainischen Stadt diesen Mittwoch geöffnet werden könne, sei fraglich. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Mariupol gehört zu dem am heftigsten umkämpften Städten in der Ukraine.
Nach ukrainischen Angaben bisher rund 20.000 Einwohner in Privatautos aus dem belagerten Mariupol geflohen. Dies teilt der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Vadym Denysenko, mit. Ukrainischen Angaben zufolge sind die rund 400.000 Einwohner seit fast zwei Wochen ohne Heizung, Strom und fließendes Wasser in der Hafenstadt im Südosten des Landes eingeschlossen. Mindestens 200.000 Menschen seien dringend auf eine Evakuierung angewiesen.
Auch zivile Ziele attackiert
Im Süden griffen russische Truppen nach ukrainischen Angaben auch die Stadt Saporischschja an, in der sich neben den Einwohnern auch tausende Flüchtlinge aus Mariupol aufhalten. "Erstmals sind zivile Objekte in Saporischschja angegriffen worden", schrieb am Mittwoch Gouverneur Alexander Staruch auf Telegram. Die Raketen seien unter anderem auf einem Bahnhofsgelände eingeschlagen, es sei niemand getötet worden.
Saporischschja war bisher von den Kämpfen weitgehend ausgenommen. Das von russischen Truppen bereits vor zwei Wochen eingenommene Atomkraftwerk Saporischschja liegt 50 Kilometer außerhalb. Die Stadt war bisher ein erster sicherer Anlaufpunkt für Menschen, die aus der von russischen Truppen belagerten Hafenstadt Mariupol flüchteten. Von Saporischschja aus brechen die Menschen dann in den Westen der Ukraine sowie nach Polen oder andere Nachbarländer auf.
Die russische Armee soll nach Angaben des ukrainischen Generalstabs bereits bis zu 40 Prozent der Einheiten verloren haben, die seit dem Einmarsch an Kämpfen beteiligt waren. Diese Truppen seien entweder vollständig zerstört worden oder hätten ihre Kampfkraft verloren, teilte der Generalstab in Kiew in der Nacht auf Mittwoch in einem Lagebericht mit. Eine konkrete Zahl nannte er nicht. Die Angaben können nicht unabhängig geprüft werden. Die schlimmste Situation herrsche weiter in der Gegend um Mariupol, hieß es.