Dramatische Lage

Putin plant neue Großoffensive

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Die Lage in der Ukraine spitzt sich dramatisch zu - Russland könnte nun sogar die Millionenstadt Charkiw angreifen.

Vor dem Eintreffen neuer westlicher Waffenlieferungen geraten die ukrainischen Verteidiger im Osten des Landes immer mehr in Not gegen die russischen Angreifer. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau meldete am Sonntag die Eroberung der kleinen Ortschaft Nowobachmutiwka im Gebiet Donezk - auch ukrainische Militärbeobachter schlugen auf ihren Karten den Ort nordwestlich der im Februar geräumten Stadt Awdijiwka den Russen zu.

"Die Lage an der Front hat sich verschärft", schrieb der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj am Sonntag auf Facebook. Der Feind greife in mehreren Stoßrichtungen an und habe sich ein Übergewicht an Menschen und Material verschafft. In einigen Bereichen erzielten die Russen "taktische Erfolge".

Russische Soldaten feiern die Einnahme von Otscheretyne 

Russische Soldaten feiern die Einnahme von Otscheretyne 

© Telegram
× Russische Soldaten feiern die Einnahme von Otscheretyne 

Russland plant Frühlingsoffensive

Die derzeitigen russischen Angriffe sind laut Experten aber nur Vorboten für eine neue, noch viel größere Offensive. Wie die „Financial Times“ berichtet, rechnen hochrangige ukrainische Geheimdienstler damit, dass Putin „Ende Mai oder im Juni eine neue groß angelegte Offensive startet“.

Befürchtet wird sogar, dass Russland noch einmal die Millionenstadt Charkiw angreifen könnte. Putin könnte „einen Angriff auf Charkiw mit 20.000 bis 40.000 Mann“ starten, so ein ukrainischer Armee-Lieferant erklärte gegenüber BILD „Dann müssen wir uns entscheiden, ob wir den Norden oder den Osten verteidigen wollen. Beides geht nicht.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief den Westen einmal mehr zur verstärkten Lieferung von Flugabwehrwaffen auf. Russische Luftangriffe in der Nacht auf Samstag hätten auf das Gastransitsystem seines Landes gezielt, sagte er in einer Videobotschaft. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski forderte von Deutschlands Kanzler Olaf Scholz, umzudenken und der Ukraine Marschflugkörper vom Typ Taurus zu geben. Scholz blieb aber bei seiner Ablehnung.

Wolodymyr Selenskyj
© Getty
× Wolodymyr Selenskyj

Heftige Kämpfe

"Entlang der gesamten Frontlinie wurde in dieser Woche weiter heftig gekämpft", schrieb Oberbefehlshaber Syrskyj. "Die Lage ändert sich dynamisch - in einigen Gebieten hat der Feind taktische Erfolge erzielt, in anderen Gebieten konnten wir die taktische Position unserer Truppen verbessern." Die russischen Streitkräfte berichteten schon am Samstag, dass sie nach der Einnahme einzelner Ortschaften im Gebiet Donezk tief in die Verteidigung der ukrainischen Armee eingedrungen seien. Die Angaben waren nicht überprüfbar. Auch ukrainische Medien berichteten am Samstagabend, dass Russland etwa das Dorf Berdytschi erobert habe und sich auch in dem Ort Otscheretyne festsetze.

Westliche Militärexperten beobachten ebenfalls ein Vorrücken der russischen Truppen. "Russland wird absehbar spürbare taktische Gewinne erzielen in den kommenden Wochen, während die Ukraine darauf wartet, dass US-Unterstützung an der Front ankommt", analysierte das Institut für Kriegsstudien (ISW) in den USA. "Aber es bleibt unwahrscheinlich, dass russische Kräfte die ukrainische Verteidigung überwinden." Die USA hatten nach monatelanger Blockade vergangene Woche ein milliardenschweres Hilfspaket beschlossen.

Selenskyj beklagte russische Angriffe auf das Gastransitsystem seines Landes. Es seien Objekte angegriffen worden, über die Gas durch die Ukraine in die Europäische Union geleitet werde, sagte er. Ungeachtet des seit mehr als zwei Jahren andauernden russischen Angriffskrieges fließt weiter Gas der Rohstoffgroßmacht durch die Ukraine - wenn auch in deutlich geringeren Mengen.
 

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