Als Reaktion auf ukrainische Gegenoffensive

Russland plant rasch Referenden in besetzten Gebieten

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Angesichts der ukrainischen Gegenoffensive forciert die russische Regierung in den besetzten Gebieten in der Ukraine Referenden über einen Beitritt zu Russland.  

Die pro-russischen Separatisten in den ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk kündigten am Dienstag Volksbefragungen ab Freitag an. Auch in der von Russland gehaltenen südukrainischen Region Cherson wurde ein Referendum angekündigt, es folgte die Region Saporischschja, wo das größte ukrainische AKW liegt.

Die Scheinreferenden, die weder von der Ukraine noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden, sollen laut Behörden vom 23. bis 27. September in den von Russland anerkannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine sowie das umkämpfte Gebiet Cherson im Süden abgehalten werden. In der ebenfalls umkämpften Region Saporischschja soll die Abstimmung nur in den von Russland kontrollierten Gebieten stattfinden, so der Chef der Militärverwaltung, Wladimir Rogow, am Dienstag. Es sei alles bereit, "in den nächsten Tagen" könne abgestimmt werden, sagte er

In Saporischschja kontrollieren die Besatzungstruppen 75 Prozent des Territoriums. Die Gebietshauptstadt Saporischschja mit vor dem Krieg rund 700.000 Einwohnern hingegen steht immer noch unter Kontrolle ukrainischer Truppen. Aus Sicherheitsgründen werde in der Stadt nicht abgestimmt - nicht einmal Online, sagte Rogow.

Die Ukraine kündigte postwendend eine gewaltsame Reaktion an. Die Bedrohung kann nur mit Gewalt abgewendet werden", erklärte der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak, im Messengerdienst Telegram. Die Ankündigung der Referenden sei eine "Erpressung" durch Moskau, das angesichts der ukrainischen Geländegewinne von der "Angst vor einer Niederlage" getrieben sei.

Die Referenden gelten als Reaktion auf die ukrainische Gegenoffensive im Osten des Landes. Auf ähnliche Weise hatte Russland 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. International wurde die Abstimmung nicht anerkannt. Auch diesmal ist eine Anerkennung nicht in Sicht.

Zuvor hatte der Vize-Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates und enge Vertraute von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Medwedew, Beitrittsreferenden in den von Moskau besetzten Gebieten in der Ukraine gefordert, um diese unwiderruflich an Russland anzugliedern. "Nach ihrer Durchführung und der Aufnahme der neuen Territorien in den Bestand Russlands nimmt die geopolitische Transformation in der Welt unumkehrbaren Charakter an", schrieb er am Dienstag auf seinem Telegram-Kanal.

Russland könne nach dem Beitritt der Gebiete "alle Mittel des Selbstschutzes" anwenden. Russische Kommentatoren wiesen darauf hin, dass das Atomwaffen einschließe. Der russische Politologin Tatjana Stanowaja meinte, dass Putin sich nach dem Scheitern seiner ursprünglichen Pläne, die Gebiete rasch einzunehmen, zu den Beitrittsreferenden entschieden habe. Nach Aufnahme der Gebiete habe er die Möglichkeit, die Territorien unter Androhung des Einsatzes von Atomwaffen zu verteidigen.

Die Separatisten in Donezk und Luhansk hatten angesichts des jüngsten ukrainischen Vormarsches gefordert, solche "Abstimmungen" schnell anzusetzen. Russland hat seinen Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar unter anderem mit der "Befreiung" der Gebiete Donezk und Luhansk begründet. Zunächst konnte das russische Militär große Teile der Ost- und Südukraine erobern.

Zuletzt allerdings musste der Kreml eine empfindliche Niederlage hinnehmen, die russischen Truppen zogen sich nach ukrainischen Angriffen fast völlig aus dem Gebiet Charkiw zurück. Die Staatspropaganda warnte vor einer möglichen verheerenden Niederlage in dem Krieg.

Der Kreml könnte nun darauf setzen, mit den Referenden innenpolitisch die Bevölkerung mobilisieren zu können - eventuell sogar durch Ausrufung des Verteidigungsfalls. Derzeit leidet das russische Militär in der Ukraine an Personalmangel. Die eingesetzten Soldaten auf Vertragsbasis haben nicht genügend Ressourcen für den Krieg, der in Moskau immer noch "militärische Spezialoperation" genannt wird.

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